: Brauner Wahlerfolg gefährdet grünen Tourismus
Nach den Wahlerfolgen der NPD in der Sächsischen Schweiz sorgen sich die örtlichen Interessenverbände um den Fremdenverkehr in der Region. Doch die Wirte ziehen es vor, über das Thema gar nicht zu reden – und schieben den Rückgang der Gästezahlen kurzerhand aufs schlechte Wetter
DRESDEN taz ■ Die Biertheke des Gasthofs Obervogelgesang unten am Elberadweg macht in diesen Tagen nicht gerade üppigen Umsatz. „Das liegt an den Regenwolken“, ist die Wirtin überzeugt. Bei Dauertiefdruckwetter radelten eben weniger Leute hier am Tor zum Elbsandsteingebirge vorbei.
Den örtlichen Verkehrsverbänden schwant hingegen, dass der Touristenstrom schon bald aus anderen Gründen versiegen könnte als wegen des schlechten Wetters. Die Attraktivität der Region habe unter den jüngsten Wahlerfolgen der Rechtsextremisten gelitten, klagt der Chef des Tourismusvereins Elbsandsteingebirge, Ivo Teichmann. „Die denken, hier laufen Nazischläger durch die Straßen.“ Die NPD war bei den Kommunalwahlen vor zwei Wochen im Landkreis Sächsische Schweiz noch vor der SPD drittstärkste politische Kraft geworden. In Königstein erzielten sie 21,1 Prozent im Stadtrat.
Eine sechsköpfige Brandenburger Familie, die nach Rathen an die berühmte Bastei gekommen ist, zeigt sich von den braunen Resultaten unbeeindruckt. „Kein Wunder“, kommentiert der Vater das Wählerverhalten – man lässt seinen Frust auf die „eigensüchtige Politikerkaste“ ab.
Wenn man mitten in der Saison rund um den Nationalpark Sächsische Schweiz auffallend viele „Zimmer frei“-Schilder sieht, ist sicher auch das Wetter schuld und die Wirtschaftsflaute und die soziale Unsicherheit und der Euro sowieso. Ganz offiziell hat es auch keine Stornierungen von Hotel- und Pensionsbuchungen wegen des nationalistischen Trends in der Region gegeben. Das erklärt zumindest Ivo Teichmann als Vorsitzender des Tourismusvereins Elbsandsteingebirge für seine 180 Mitglieder.
Es ist zwecklos, die örtlichen Gastwirte nach den touristischen Folgen des politischen Rechtsrucks auszufragen. „Nur nicht darüber reden“, lautet die Grundregel der Branche. Der „Sebnitz-Effekt“ ist noch in allzu frischer Erinnerung, als nach dem vermeintlichen Neonazi-Kindermord niemand mehr in die Region reisen wollte. Der Tourismus ist aber nun einmal die Haupteinnahmequelle dieses landschaftlich wunderschönen Kletter- und Wandergebiets.
Dennoch sickern beunruhigende Informationen durch. So berichtet eine ältere Besucherin in Rathen von den Klagen eines Hoteliers über einen deutlichen Besucherrückgang in den vergangenen Wochen. André Hahn, PDS-Landtagsabgeordneter und mit mehr als 41 PDS-Prozenten in den Pirnaer Kreistag gewählt, hat bei einer privaten Veranstaltung des Gastgewerbes von Stornierungen gehört.
Das Internet-Gästebuch von Königstein wurde wie damals in Sebnitz geschlossen. „Sorry, aber in ein so braunes Nest fahre ich nicht“ – solche Einträge mochten die Verantwortlichen dann doch nicht auf der Homepage sehen. Die Wahlplakate der NPD dagegen hängen fast drei Wochen nach der Wahl noch immer in den Straßen der Stadt. „Lasst euch nicht länger verarschen von Merkel und Schröder“, lautete einer der erfolgsträchtigen Slogans. Und die benachbarte Gemeinde Struppen druckte gar in ihrem Amtsblatt einen Aufruf: „Wählt NPD!“
Noch haben die Reaktionen nicht das Ausmaß des „Sebnitz-Effektes“ erreicht. Tourismusvereinschef Teichmann, zugleich SPD-Kreisrat, sorgt sich dennoch ernsthaft, dass die mühsam aufgebaute Tourismuswirtschaft Schaden nehmen könnte. Die Wähler hätten sich insofern kontraproduktiv verhalten. „Ausbleibende Touristen lösen einen Teufelskreis aus, weil nachfolgende soziale Probleme den Zulauf zu den Rechten wieder verstärken.“
Auch André Hahn von der PDS spricht von einem „Selbsttor“ und will alles daransetzen, bis zur Landtagswahl im September aufklärend auf diese Folgen hinzuweisen. Eine Wiederholung der Kommunalwahlergebnisse müsse unbedingt verhindert werden. Weniger Sorgen macht sich Andreas Lämmel, Chef des Landestourismusverbandes und CDU-Landtagsabgeordneter. Touristen interessierten sich zuerst für das Preis-Leistungs-Verhältnis. Einig sind sich alle in der Aufforderung, die idyllische Sächsische Schweiz gerade jetzt nicht zu verschmähen. Denn ein Boykott würde vermutlich den Extremisten noch mehr Wähler zutreiben. MICHAEL BARTSCH