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Archiv-Artikel

Schwarz-Grün in Köln nimmt erste Hürde

Sparen müssen, beschimpfen lassen: Die Koalition aus CDU und Grünen wird gebeutelt, aber stabil ein halbes Jahr alt

KÖLN taz ■ Martin Börschels Bilanz zu „ein halbes Jahr Schwarz-Grün in Köln“ fällt düster aus: „Das war doch eine einzige Pleiten-, Pech- und Pannenserie“, klagt der 30-jährige Rechtsanwalt. Die Koalition halte „ausschließlich der gemeinsame Wille zur Macht zusammen“ und sie betreibe „eine Politik von Menschen, die abmähen, was sie nicht gesät haben“. Auch Ralph Sterck fällt nichts Gutes zu dem Bündnis von CDU und Grünen ein: „Die Stadt wird unter Niveau regiert“, kritisiert der 37-jährige Kaufmann. Wichtige Investitionsentscheidungen würden blockiert, was Köln „ein verheerendes Image in der ganzen Republik“ beschere.

Aber wie hätten ihre Urteile auch anders ausfallen sollen? Schließlich ist Börschel Vorsitzender der Kölner SPD-Ratsfraktion, und Sterck sein FDP-Pendant. Die Partei des einen musste 1999 nach 43 Jahren ihren Platz auf der Regierungsbank zugunsten der CDU räumen, die des anderen fand sich Anfang Februar dieses Jahres durch die Grünen ersetzt. Das schmerzt.

Sechs Monate regieren nun Christdemokraten und Grüne die rheinische Millionenmetropole – und gegenwärtig sieht alles danach aus, als würde das so bleiben. Am Dienstagabend bestand das Bündnis seinen ersten großen Haltbarkeitstest: Nach harten Verhandlungen und gegen die Stimmen der Opposition aus SPD, FDP, PDS und einem „Republikaner“ beschloss es den Stadtetat für die Jahre 2003 und 2004. Das war nicht leicht, denn Köln befindet sich in der größten Finanzkrise seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Deswegen sah sich Schwarz-Grün zu dramatischen Einschnitten gezwungen – auch und gerade im sozialen und kulturellen Bereich. Entsprechend war die letzte Ratssitzung vor der Sommerpause auch von heftigen Protesten aufgebrachter Bürger begleitet. Mit einer Sitzblockade vor dem Rathaus kämpften sie „gegen den totalen Angriff auf alle sozialen und kulturellen Errungenschaften“ und sorgten dafür, dass etliche Ratsmitglieder nur über Umwege den Sitzungssaal erreichen konnten.

„Ich habe aber noch nie so ernsthaft und detailliert Haushaltsplanberatungen geführt wie dieses Mal“, rechtfertigt die grüne Ratschefin Barbara Moritz die Kürzungen, die bei der eigenen Wählerschaft für Unmut sorgen. „Unter dem Strich haben wir die schlimmsten Härten vermieden“, so Moritz. Die Stadt lebe seit zehn Jahren über ihre Verhältnisse.

Tatsächlich klafft trotz allem immer noch ein Haushaltsloch von rund 660 Millionen Euro für die beiden Jahre, die Köln bis 2004 einen Schuldenstand von 2,5 Milliarden Euro bescheren dürften. In Zeiten knapper Kassen sei Krisenmanagement statt Wunschliste angesagt, so Moritz: „Wir haben alle Spielräume ausgenutzt.“ Ihre Bilanz des halben Jahres Schwarz-Grün fällt denn auch anders aus als die der Opposition: „Die Stimmung ist sehr positiv.“ Dem pflichtet auch der neu gewählte CDU-Fraktionschef Karl Klipper bei: „Die Zusammenarbeit läuft gut.“ Klipper setzte sich gestern in einer Kampfabstimmung mit 21 zu 19 Stimmen als Nachfolger Rolf Bietmanns durch, der unter Korruptionsverdacht steht und sich nun auf sein Bundestagsmandat konzentrieren will.

In Düsseldorf will noch niemand von einem Modell für das Land sprechen. Trotzdem verfolgt der CDU-Landesvorsitzende Jürgen Rüttgers das Kölner Experiment aufmerksam: „Rot-Grün in Düsseldorf funktioniert nicht, Schwarz-Grün in Köln funktioniert“, so Rüttgers. Michael Vesper, grüner stellvertretender Ministerpräsident, bleibt hingegen vorsichtig. „Mit der Verabschiedung des Haushalts hat die schwarz-grüne Koalition in Köln ihre erste Bewährungsprobe bestanden“, sagte er der taz, und: „Es werden weitere folgen.“

PASCAL BEUCKER, FRANK ÜBERALL