„Das geht voll auf die Glaubwürdigkeit“

Der Grünen-Fraktionsvize und Umweltexperte Reinhard Loske kritisiert das Bundeswirtschaftsministerium, weil es Siemens eine Hermes-Exportbürgschaft für die Lieferung von Turbinen für das finnische Akw FIN 5 in Aussicht stellt

taz: Herr Loske, zu Hause progpagieren die Grünen den Atomausstieg – Akw-Finanzierung im Ausland aber tragen sie mit. Ist das nicht inkonsequent?

Reinhard Loske: Klar – das geht voll auf die Glaubwürdigkeit der Regierung.

Warum hält sich die Regierung nicht an ihre Grundsätze?

Es ist eben ein Interpretationsspielraum da. Das Wirtschaftministerium, das die Hermes-Bürgschaftsvergabe im Wesentlichen betreibt, argumentiert, Generatoren und Turbinen seien keine Atomtechnologie. Aber in dem Kontext des finnischen Akw sind die Turbinen natürlich Atomtechnologie.

Wieso hat Siemens für den Export in ein EU-Land überhaupt eine Bürgschaft in Aussicht?

Es wäre tatsächlich das erste Mal, dass derart fragwürdige Geschäfte innerhalb der EU mit einer staatlichen Bürgschaft abgedeckt werden. Hermes soll deutsche Exporte auf schwierigen Auslandsmärkten unterstüzen, v. a. in Entwicklungsländern mit hohen Finanzierungsrisiken.

Also wieso dann?

Siemens behauptet, einen Antrag gestellt zu haben, weil der US-Konkurrent Alstom auch eine staatliche Bürgschaft bekommt. Ich bin aber gar nicht sicher, ob die EU-Kommission da nicht ohnehin einen Riegel vorschiebt. Sie dürfte in der Hermes-Bürgschaft eine Beihilfe sehen.

Haben Sie mit dem Wirtschaftsministerium darüber gesprochen?

Das Problem ist: Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf Transparenz geeinigt, in der Praxis entscheidet aber eine kleinen Gruppe. Wenn die taz in ihrem Artikel von vorgestern schreibt, die beteiligten Ministerien – Finanzen, Entwicklung, Auswärtiges – sagen nichts zu dem Fall, dann ist das ein klarer Verstoß gegen die Vorab-Transparenz.

Warum fordern die Grünen als Koaltionspartner nicht ihr Recht ein, in die Planung mit einbezogen zu werden?

Wir haben 2001 die Überarbeitung der Hermes-Richtlinien durchgesetzt. Diese sind zwar ein Schritt nach vorne – aber leider immer noch interpretationsfähig, wie wir jetzt sehen. Der Koalitionsvertrag bietet aber Anknüpfungspunkte für eine Fortentwicklung.

Was haben Sie vor?

Derzeit laufen Verhandlungen über OECD-weite Standards staatlicher Exportkredite. Da hat Deutschland – besser gesagt: das Wirschaftsministerium – eine Bremserrolle. Andere Länder, interessanter Weise vor allem die USA, sind progressiver. Dabei würde gerade Deutschland von hohen Standards profitieren.

Warum?

Wir haben gute Technologie mit hohen Umwelt- und Effizienzstandards anzubieten. Je höher die internationalen Standards sind, desto besser für uns.

INTERVIEW: KATHARINA KOUFEN