: berliner szenen Betteln nach Bier
Die Masoklause
Was mich höllisch aufgeilt, sind Lokale, in denen ich ignoriert, gedemütigt und ausgesucht schlecht behandelt werde. Heute gebe ich’s mir schon am Nachmittag: einen Besuch im Mekka der SM-Szene West, der Masoklause. Ich setze mich und warte – das erhöht den Kitzel. Natürlich kommt niemand: Die arbeiten hier nur zu viert, es sind aber bestimmt acht Gäste da, also mehr Gäste als Bedienungen – wie soll denn das gehen? Außerdem haben sie sicher genug Privatkram zu bereden. Dennoch hoffe ich, dass sie mir in Kürze deutlich und streng zeigen, dass ich unerwünscht bin und sie nicht auf mein schmutziges Geld angewiesen sind.
Als nach einer Stunde die Domina kommt, frage ich nach der Karte. Sie wutentbrannt ab, eine halbe Stunde später mit der Karte zurück. Ich frage nach Feuer, obwohl ich nicht rauche. Was Latte Dingenskirchen auf Deutsch heißt, möchte ich wissen. Sie schäumt. Verstehe, sage ich und bestelle noch ein Glas Leitungswasser dazu. Und Zucker bitte. Schrei mich an, flehe ich. Das Wasser kommt nicht, die Bedienung kommt auch nicht mehr. Schade, game over. Abends ist es hier noch geiler, da ist dann Selbstbedienung: dieses Gefühl, mit anderen Unwürdigen vorm Tresen zu stehen, während die Zapfer so angestrengt zur Seite blicken, dass die Wirbel krachen. Dieses vollkommene Ausgeliefertsein, dieses verzweifelte Anstehen, bettelnd, nach einem Bier, das man auch gemütlich vorm Fernseher hätte trinken können – das verschafft mir den absoluten Kick. Der Barmann unterhält sich mit wichtigen Stammgästen, um sich am Ende übellaunig zu mir rüberzubeugen: „Was willst du?“ Was ich will, habe ich in diesem Moment längst überreichlich bekommen.
ULI HANNEMANN