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Archiv-Artikel

Saddam ruft aus dem Off zum Widerstand

Al-Dschasira sendet ein neues Tonband mit der Stimme Saddam Husseins. Zwei seiner Töchter sind inzwischen in Jordanien. Im Irak gibt es weitere Anschläge auf US-Soldaten, eine brennende Pipeline und Unmut über die Besatzung

BAGDAD/AMMAN dpa/afp ■ Der arabische Fernsehsender al-Dschasira hat gestern erneut eine dem gestürzten irakischen Staatschef Saddam Hussein zugeschriebene Tonbandaufzeichnung ausgestrahlt. Darin ruft der seit dreieinhalb Monaten flüchtige Exdiktator die Iraker aus dem Untergrund zum Widerstand auf. Jeder, der mit den Besatzungstruppen zusammenarbeite, sei ein Agent und Verräter, hieß es.

Wie schon bei früheren Bändern, die vom US-Geheimdienst als authentisch eingestuft worden waren, glich die Stimme der des Exdiktators. In der mehrminütigen Ansprache warf der Sprecher auf dem Band den alliierten Streitkräften vor, die Reichtümer des Iraks auszuplündern. Allein die „ausländische Aggression“ sei der Grund für die schwierige Lage, in der sich der Irak derzeit befinde. Die Saddam zugeschriebene Stimme nannte als Datum für die Aufzeichnung den 27. Juli.

Augenzeugen berichteten al-Dschasira gesternüber mehrere Angriffe auf US-Soldaten. Bei einem Angriff auf einen Stützpunkt der Amerikaner in der Stadt Samarra habe es mehrere Verletzte gegeben. Aus der Nähe der westirakischen Stadt Falludscha meldete der Sender die Explosion eines Sprengsatzes. Bei Ramadi im so genannten sunnitischen Dreieck sollen vier Iraker getötet worden sein, nachdem sie einen US-Militärkonvoi angegriffen hatten.

Bei dem Brand einer Öl-Pipeline in Baidschi, rund 200 Kilometer nördlich von Bagdad, handelt es sich nach Angaben der Polizei um einen Sabotageakt. Möglicherweise seien Anhänger Saddam Husseins für den Anschlag verantwortlich, sagte ein ranghoher Vertreter der Polizei in Baidschi. Augenzeugen hatten von einer Explosion am Donnerstagabend berichtet, die das Feuer ausgelöst haben könnte.

Die beiden nach Jordanien geflüchteten Töchter des irakischen Expräsidenten Saddam Hussein sind nach Angaben eines Verwandten aus Syrien eingereist. Die beiden Frauen seien am Donnerstag mit ihren neun Kindern an Bord eines jordanischen Flugzeugs angekommen, das aus Syrien abgeflogen sei, sagte der enge Verwandte der Nachrichtenagentur AFP. Raghad und Rana seien Ende April, rund zwei Wochen nach dem Einmarsch der US-Truppen in Bagdad, in das Nachbarland geflohen. Über den Verbleib ihrer Mutter Sajida konnte der Angehörige nichts sagen.

Jordanien hatte zuvor mitgeteilt, die beiden Töchter des irakischen Ex-Machthabers stünden „unter jordanischem Schutz“. König Abdallah II. habe ihre Aufnahme „aus humanitären Gründen und wegen der schwierigen Lage in deren Heimatland“ akzeptiert, sagte ein Regierungsvertreter.

Raghad und Rana hatten bereits im August 1995 in Jordanien Zuflucht gesucht. Sie waren ein Jahr später in Begleitung ihrer Ehemänner, Hussein Kamel Hassan und dessen Bruder Saddam Kamel Hassan, nach Irak zurückgekehrt. Die Männer wurden später zusammen mit einem Großteil ihrer Familie von Saddam Hussein in Bagdad wegen Verrats hingerichtet. Seitdem lebten die beiden Frauen zurückgezogen bei ihrer Mutter Sajida. Saddam Hussein hat noch eine dritte Tochter, Hala. Deren Mann war nach dem Sturz Saddam Husseins von der US-Armee festgenommen worden.

Der Führer der irakischen Monarchiebewegung, der Scherif Ali bin Hussein, hat indes das Vorgehen der US-Besatzungsmacht im Irak scharf kritisiert. Ali, der zur Familie des letzten irakischen Königs gehört, sagte in einem gestern veröffentlichten Interview mit der arabischen Zeitung Al-Hayat: „Die Amerikaner sind in den Irak gekommen, um die Probleme des Landes zu lösen, und sind nun selbst zu einem Problem geworden.“ Die Monarchiebewegung gehört zu den sechs irakischen Exil-Oppositionsgruppen, die bereits vor dem Krieg enge Kontakte zur US-Regierung hatten.