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Archiv-Artikel

Rot-Grün einigt sich auf Gesichtswahrung

Statt einer Pflegereform gibt es einen Minimalkonsens mit Ausblick. Kinderlose stopfen das Defizit, indem sie erheblich mehr in die Pflegekasse einzahlen. Dementen wird nicht geholfen, die Kasse nicht saniert, und die Grünen lassen sich vertrösten

VON ULRIKE WINKELMANN

Einigung auf Pflegereform – Nichteinigung – Einigung unter bestimmten Bedingungen: Was gestern wie typisches rot-grünes Kommunikationschaos wirkte, entpuppte sich bei näherem Hinsehen als eine Frage der Gesichtswahrung.

Denn erstens hat der Kanzler im Januar beschlossen, dass es in diesem Jahr doch keine groß angelegte Reform der Pflegeversicherung geben soll. Diese war im Sozialministerium bereits vorbereitet worden. Doch Gerhard Schröder (SPD) kippte das Konzept mit der Begründung, die Menschen hätten schon von der Gesundheitsreform die Nase voll. Lediglich das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sollte umgesetzt werden, wonach Eltern relativ besser gestellt werden müssen als Nichteltern.

Dazu sagen zweitens aber die Grünen: Wir machen eine Schrumpfreform in diesem Jahr nur mit, wenn bis 2006 noch mehr geschieht. „Stufenplan“ lautet ein Stichwort dafür. Drittens sieht sogar das Kanzleramt ein, dass die Pflegeversicherung allerspätestens 2006 und damit noch vor der Bundestagswahl pleite ist. Das Wahlkampfthema „SPD hat Pflege totgewirtschaftet“ wäre nicht so schön.

Aus alldem folgt, dass die SPD erst einmal eine Schrumpfreform vorlegt. Kinderlose ab 23 zahlen ab dem kommenden Jahr 0,25 Prozent mehr Beitrag. Darauf hat man sich geeinigt. Daran knüpfen jedoch die Grünen die Bedingung, dass es gemeinsam mit dem Gesetzentwurf im Herbst einen „Entschließungsantrag“ gibt, in dem Rot-Grün sich darauf festlegt, dass außerdem mindestens für altersverwirrte Menschen („Demente“) mehr Leistungen aus der Pflegeversicherung bereitgestellt werden müssen. Wie dies finanziert werden soll, darüber besteht noch keine Einigung.

Und damit es nicht so aussieht, als könnte die Vize-Fraktionsvorsitzende der SPD, Gudrun Schaich-Walch, eben mal so Einigungen in der FAZ verkünden, deren Bedingungen noch nicht geklärt sind, wurde der Begriff „Einigung“ gestern abwechselnd bestätigt, dementiert oder „unkommentiert gelassen“.

Die grüne Pflegeexpertin Petra Selg erklärte der taz: „Wir haben uns darauf geeinigt, nach der Sommerpause mit den Fraktionen darüber abzustimmen, wie der Entschließungsantrag aussehen wird und wie weit ein zweiter Reformschritt gehen muss.“ Sie verlange weiterhin, dass Rot-Grün sich zur umfassenden Reform bekenne: Demente bräuchten Leistungen. Die Leistungssätze, seit Einführung der Pflegeversicherung unverändert, müssten der Lohnentwicklung angepasst werden. Schließlich möchten die Grünen auch den Pflegebegriff erweitern, er soll mehr umfassen als das Kriterium „Satt und sauber“.

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