: Kein Grund zur Entwarnung
In diesem Sommer sind in Hamburg zwar noch keine Ozon-Grenzwerte erreicht worden, und die Ozon-Belastung am Boden geht seit Jahren zurück. Doch nach Einschätzung von EU und WHO ist die Gefährlichkeit des Stoffes bisher unterschätzt worden
von HANNING VOIGTS
„Allergiker, Kinder, alte Menschen und Herz-Kreislauf-Kranke sollten Anstrengungen im Freien vermeiden...“ An Ozonwarnungen im Radio hatte man sich schon fast gewöhnt. In diesem Jahr jedoch sind sie trotz der Hitze ausgeblieben. In Hamburg wurden die gesetzlich festgelegten Warnwerte nicht erreicht. In den Augen von Greenpeace liegt das jedoch bloß daran, dass sie zu großzügig ausgelegt sind.
„Richtig ist, dass sich durch verbesserte Katalysatoren und verringerte Schadstoffausstöße die Überschreitungen der Grenzwerte wesentlich verringert haben“, sagt Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid. Die gemessenen Maximalwerte gingen in den vergangenen zehn Jahren stetig zurück. Alle Ursachen der Ozonbelastung – Auto-, Industrie- und Haushaltsabgase – sind aber nach wie vor gegeben. „Es gibt keinerlei Grund zur Entwarnung“, sagt Smid.
Seit das von Angela Merkel 1995 auf den Weg gebrachte befristete Ozon-Gesetz Ende 1999 ausgelaufen ist, gelten in Deutschland die EU-Richwerte. Ab einer Konzentration von 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft muss die Bevölkerung informiert werden. Kindern und empfindlichen Erwachsenen wird dann empfohlen, Anstrengungen im Freien zu vermeiden.
Der Wert, bei dem der ganzen Bevölkerung Gefahr droht, wird Ende diesen Jahres mit dem neuen Bundesemissionsschutzgesetz von 360 auf 240 Mikrogramm gesenkt. So schreibt es eine EU-Richtlinie von 2002 vor. Weitere Emissions-Einschränkungen sind geplant.
Greenpeace hält das noch immer für zu großzügig. Die Umweltschützer berufen sich auf die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die bereits 100 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft gesundheitlich bedenklich findet, wenn diese Konzentration mehrere Stunden lang anhält. „Wir fordern die Einführung eines deutschen Ozon-Gesetzes, das Sofortmaßnahmen wie Fahrverbote schon ab 120 Mikrogramm möglich macht“, sagt Smid.
In den vergangenen Tagen waren Stundendurchschnitte von 140 Mikrogramm pro Kubikmeter in Hamburg keine Seltenheit. In Mannheim wurden am 20. Juli sogar 211 Mikrogramm gemessen, im Weserbergland kletterten die Werte am 31. Juli auf 161 Mikrogramm.
Auch die konstante Ozonbelastung, abzulesen in den Jahresmittelwerten, ist Greenpeace zufolge gefährlich. Denn gerade eine konstante Belastung wie etwa in Hamburg, wo 2002 im Jahresdurchschnitt 53 Mikrogramm gemessen wurden, könne zu chronischen Krankheiten wie Asthma führen.
Ozonbelastungen sind schwierig vorauszusagen, weil es sich bei Ozon um einen Sekundärschadstoff handelt, dessen Bildung von mehreren Faktoren abhängt. Ozon ist ein natürlicher Luftbestandteil, der in höheren Atmosphärenschichten die Erde vor zu hoher Sonneneinstrahlung schützt. Am Boden jedoch wirkt Ozon als Reizgas und führt zu Atembeschwerden, Herz- und Kreislaufproblemen, zu Kopfschmerzen und Hustenreiz.
Die Vorläuferstoffe von Ozon, Stickoxide und Kohlenwasserstoffe, sind in Abgasen enthalten. Sie zerfallen unter Einwirkung von Sonnenlicht und verbinden sich mit Sauerstoff aus der Luft zu dem Schadstoff. Bei einer Wetterlage, in der wenig Gasaustausch mit höheren Luftschichten stattfindet, steigt die Konzentration immer weiter. So entsteht Sommersmog.
Fahrverbote, wie es sie aufgrund des alten Ozongesetzes vor 1999 gab, wird es in Zukunft nicht mehr geben. Nach Einschätzung des Umweltbundesamtes sind sie nicht effektiv. Da die Vorläuferstoffe durch den Wind Hunderte von Kilometern weit geblasen werden, bevor sie sich auf den Ozonwert auswirken, müsste bei Ostwind ganz Mecklenburg-Vorpommern stillgelegt werden, um die Werte in Hamburg schnell senken zu können. Die täglichen Ozonwerte sind von Wind und Wetter genauso abhängig wie von der Abgasbelastung vor Ort.