: Jassir Arafat droht eine Wahlschlappe
Bei internen Wahlen seiner Fatah-Partei im Gaza-Streifen muss der Palästinenserpräsident mit Popularitätsverlusten rechnen. Junge Parteimitglieder und Reformer rücken nach. Das Ergebnis könnte Konsequezen für die Sicherheitsorgane haben
AUS JERUSALEM SUSANNE KNAUL
Bei den derzeit laufenden parteiinternen Wahlen der Fatah im Gaza-Streifen zeichnet sich ein Vorsprung für die Reformisten ab. Berichten der liberalen Tageszeitung Ha’aretz zufolge soll Palästinenserpräsident und Fatah-Chef Jassir Arafat angesichts der ihm bevorstehenden Wahlschlappe gar versucht haben, den Urnengang zu stoppen. Dessen ungeachtet haben diese Woche rund 95 Prozent der Stimmberechtigten aus dem Wohnviertel Rimal in Gaza ihre Voten abgegeben. Achmad Sabawi, Berater des ehemaligen Sicherheitschefs und heute federführenden Reformisten Mohammed Dahlan, warnt jedoch vor verfrühter Euphorie. Noch sei nicht klar, „welcher Fatah-Gruppe die gewählten Bezirksvertreter angehören“.
Die parteiinternen Wahlen wurden Mitte Mai aufgenommen und werden „frühestens in zwei Monaten“ abschlossen sein, so Sabawi. Der Prozess dauert deshalb so lang, weil die Wahlen schrittweise in sieben Verwaltungsbezirken abgehalten werden, die wiederum in jeweils vier bis fünf Wahlbezirke unterteilt sind. Gewählt werden zunächst 50 Vertreter in jedem Bezirk. Jede Region stellt anschließend 15 Vertreter, die zusammen mit den Repräsentanten aus dem Westjordanland und der im Exil lebenden Palästinenser an den Wahlen des Fatah-Revolutionsrats teilnehmen. Per Quotierung werden 10 Prozent der Listenplätze Frauen garantiert.
„Im Westjordanland ist es derzeit kaum möglich, Wahlen abzuhalten“, erklärt Sabawi die Tatsache, dass vorerst nur der Höhere Rat der Fatah im Gaza-Streifen den parteiinternen Urnengang in die Wege geleitet hat. Zahlreiche Kandidaten hielten sich „versteckt“ und könnten, solange die Besatzungstruppen im Westjordanland stationiert sind, nicht an Wahlen teilnehmen.
Bei jüngsten Debatten des Revolutionsrates war wiederholt die Forderung von Neuwahlen auch des Zentralrates laut geworden. Bis auf eine Ausnahme setzt sich der Zentralrat nur aus den so genannten Tunesiern zusammen, also die PLO-Führungsriege, die 1994 aus dem Exil in Tunis in die Palästinensergebiete zurückkehrte. Neuwahlen haben seit 16 Jahren nicht stattgefunden.
Eine „klare Indikation“ sieht Sabawi hinsichtlich der „überwiegend jungen Kandidaten“, die „mehr Mitsprache“ und „Transparenz“ fordern. Viele der neu gewählten Fatah-Vertreter seien Studenten, die sich die Themen Korruption, Arbeitslosigkeit, und Zukunft für die Jugendlichen zum Thema gemacht hätten. Die Forderung nach mehr Demokratie richte sich dabei „nicht zwingend gegen Arafat“, so Sabawi. Viele junge Kandidaten seien, ungeachtet ihrer Agenda, mit Bildern des Palästinenserpräsidenten in den Wahlkampf gezogen. Die Intifada sei kein Thema mehr, seit feststehe, dass der israelische Ministerpräsident Ariel Scharon für den Abzug aus dem Gaza-Streifen eintritt. Sobald Siedler und Soldaten abziehen, werde der bewaffnete Widerstand eingestellt, glaubt Sabawi.
Sollten sich die Prognosen bestätigen und Reformer wie Dahlan eine Mehrheit hinter sich haben, würde das die Möglichkeiten für Veränderungen auch im Sicherheitsbereich erheblich verbessern. Dahlan war letztendlich über den Kompetenzstreit hinsichtlich der Sicherheitskräfte mit Arafat aus der Politik ausgestiegen. Er forderte eine Neuorganisierung der Sicherheitsdienste, die derzeit erneut unter voller Kontrolle des Palästinenserpräsidenten stehen. Thema bei einer der letzten Debatten des Revolutionsrates war zudem die Auflösung der Al-Aksa-Brigaden, dem militanten Flügel der Fatah, die für zahlreiche Anschläge verantwortlich sind.
Berichten von Ha’aretz zufolge wollte Abdel-Rasak Majaida, Chef der Allgemeinen Sicherheitskräfte, auf Anordnung Arafats die bisherigen Wahlergebnisse annullieren und die Angehörigen der Sicherheitskräfte von den Listen streichen lassen. Majaida bezog sich dabei auf eine Bestimmung der PLO-Truppen aus dem Jahr 1964, nach denen Angehörigen der Sicherheitskräfte jede Art politischer Betätigung untersagt ist. Würde Majaida diese Bestimmungen konsequent verfolgen, müsste er indes selbst auf seine Mitgliedschaft im Fatah-Revolutionsrat verzichten.