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Mit Sari und Soundtrack

In der Reihe „Bollywood in Paradise“ legt das Metropolis in diesem Jahr einen Schwerpunkt auf Action- und Kung-Fu-Filme. Zahlreiche Tamil-Produktionen zeigen, dass das indische Kino mehr zu bieten hat als die bekannten Filme aus Bombay

von STEFANIE MAECK

Geräusche der Großstadt, hämmernde Musik, ein Motorrad in wilder Fahrt und immer wieder der Refrain „endless smiling, oh oh endless smiling“. Der Zuschauer taucht mit Karthik und seiner Maschine in Waves in eine flirrende Welt der Großstadtimpressionen ein, der schnellen rhythmisierten Bilder, in die Welt cinematographischer Farb- und Bewegungsspiele, für die das indische Kino berühmt ist. Regisseur Mani Ratman inszeniert in dieser Tamil-Produktion der hier wenig bekannten südindischen Filmindustrie „Kollywood“ mit Sitz in Kodambakkam einen typischen Leinwandschmachtfetzen. Er erzählt die Liebe zwischen der armen Sakthi und dem reichen Karthik in gewohnt opulenter Farbenpracht, bereichert seine Geschichte um die beliebten musicalartigen Tanz- und Gesangsszenen, deren Theatralität und Metaphorik im westlichen Kino ihresgleichen sucht.

Ein Indien zeigt sich, das zwischen Tradition und Moderne oszilliert und diesen Clash schon mal dezidiert und abrupt ins Politische wendet. Geschichten werden inszeniert, die Geschlechter-Stereotype sowohl bedienen als auch per Zitation und ironische Brechung über den Haufen werfen, die zugleich in eine Welt romantisierter Bilder entgleiten wie auch von politischem Realitätssinn zeugen. Szenische Sequenzen lösen sich in Tanzeinlagen auf und entführen ins Niemandsland zwischen Phantasie und Wirklichkeit. Auch wenn der Schwerpunkt der Metropolis-Reihe dieses Jahr nicht mehr wie im vergangenen auf der Liebesgeschichte, sondern nun auf dem Action-Plot beziehungsweise dem Kung-Fu-Film liegt, ist die Frage in vielen der gezeigten Produktionen in bester „melodramatischer Manier“ die nach dem zukünftigen Ehemann. Da löst sich die lichte Welt der Frauen schon einmal in eine mit Schleiern, Saris und Bäuchen betörend wogende Masse der Singenden auf.

Ungleich härter präsentiert sich das filmische Universum einer der neuen Produktionen der Hindi-Filmindustrie, die unter dem bekannteren Namen „Bollywood“ firmiert und ihren Sitz in Bombay hat: Shakti – The Power. In die Narration mit den stereotypen Elementen von Luxus und Designerklamotte bricht schlagartig das Politische ein, eine Off-Stimme ist zu hören und Kampfszenen aus Nordindien werden auf Video gezeigt. Der Film ist üppig bestückt mit brutalen Kampfszenen – wie auch viele der anderen Streifen der Reihe „Bollywood in Paradise“.

Auch Muthu kennt neben dem heiteren Verwechslungsplot um Mega-Star Rajnikanth das plötzliche Einsetzen softer politischer Dialoge im Verlauf des Films, wobei die obligatorische Zigarette stilsicher im Mundwinkel klemmt und das choreographische Actionpotenzial des Filmes erstaunt. Wie vielen Tamil-Schauspielern werden auch diesem Leinwand-Helden politische Ambitionen nachgesagt. Auch Koyla mit seinen harten Kampfszenen ist als Melange von melodramatischer Romanze und Action-Hit im Programm hervorzuheben, das gleichermaßen Tamil- und Hindi-Produktionen zeigt, so dass der Zuschauer die Unterschiede studieren kann.

Die betörend tanzenden Frauen sollen in den Tamil-Produktionen nicht nur mehr Bauchumfang auf die Waage bringen, das Musikalische ist hier auch opulenter gestaltet. Dabei fehlt es nicht an selbstreferentieller Brechung der Medien-Maschinerie. Wenn Karthik seine Geliebte fragt „Are you a traditional tamil girl?“, oder die Darsteller in Annamalai einfach aus ihren Rollen heraustreten und sich auf andere Rollen beziehen, dann löst sich das standardisierte Plot- und Gender-Konstrukt der Massenunterhaltung in Gesang und Tanz auf, blickt zwinkernd auf die Stargalaxie des indischen Films mit ihrem hohen Verehrungspotenzial. Auch das Keuschheitsgebot findet eine moderne Lösung: Sex wird getanzt oder in einer Geste des Schleiers lässig skizziert.

Muthu: heute, 19 Uhr + Fr, 17 Uhr; Khudgarz: 9.8., 19 Uhr + 10.8.,17 Uhr; Yateem: 11.8., 17 Uhr + 13.8., 19 Uhr; Shakti – The Power: 15.8., 19 Uhr (mit Empfang zum ind. Unabhängigkeitstag) + 17.8., 17 Uhr; Annamalai: 19.8., 17 Uhr + 20.8., 19 Uhr; Waves: 22.8., 19 Uhr + 24.8., 17 Uhr; Company: 25.8., 19.15 Uhr + 29.8., 16 Uhr; Koyla: 26.8., 17 Uhr + 27.8., 19 Uhr; Love is Sivam: 30.8., 19 Uhr + 31.8., 17 Uhr, Metropolis

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