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: In Michael Dahlems Schelmenroman „Florian Anderbach“ sucht man die Liebe ebenso vergebens wie irgendeinen Gedanken

Zehlendorfer Seife

Es werden entsetzlich viele Bücher geschrieben und häufig fragt man sich, warum nur? Dann stellt man Mutmaßungen an, gerade wenn man beim Lesen nicht unbedingt das Gefühl hat, hier ginge es um existenzielle Dinge, hier versuche jemand schreibend, einer Sache Herr zu werden, oder beschäftige sich gar mit etwas, von dem er überzeugt ist, dass es wichtig sei.

Michael Dahlems Buch „Florian Anderbach“ ist ein komödiantischer Unterhaltungsroman, ein „Schelmenroman“, der reichlich Spielraum lässt für Mutmaßungen aller Art. Der Autor, heißt es im Klappentext, kommt aus der oberen Mittelschicht Zehlendorfs und hat Erfolg bei Frauen. Sein Held ist ein „Taugenichts“, Anfang, möglicherweise auch Mitte zwanzig, der ohne größeres Interesse Mathematik in Mainz studiert. Wenn er ein hübsches Mädchen sieht, versucht er sie mit ungeschickten Sätzen anzusprechen, was ihm ständig misslingt. Es ist seltsam, dass er überhaupt keine sexuellen Fantasien hat, aber möglicherweise gehört sich das so im Genre des burlesken „Schelmenromans“ oder aber es ist eine Zehlendorfer Eigenart.

Etwas, was auch nur im Entferntesten mit Liebe, also Sehnsucht, Trauer, Begeisterung und Durcheinandersein zu tun hat, sucht man ebenso vergebens wie irgendeinen Gedanken. Stattdessen gibt es viele Orte – Mainz, Zürich, Basel, Lugano, Paris, London –, die darauf hindeuten, dass der Autor mal so was wie Interrail gemacht haben muss.

Und eine einfach so hintereinander erzählte Geschichte: Bei der studentischen Arbeitsvermittlung bekommt Anderbach einen Job bei einer „Firma für allgemeine Beratung“. Der Chef dieser Firma ist ein gewisser Dr. Consul. Das ist lustig, weil ein Mann gleichen Namens auch Herausgeber des Buchs von Michael Dahlem ist. Die Tätigkeiten, denen der Held nun nachgeht, sind durchaus interessant: Zunächst soll er für den missratenen Sohn reicher Schweizer Schnösel eine Wohnung in Paris suchen, was für reichlich Situationskomik sorgt. Auf der Reise gerät er in eine Drogennehmer-WG, lehnt es ab, Hasch zu rauchen, und wirft stattdessen die LSD-Pillen eines Dealers aus dem Fenster.

Später begleitet er im Auftrag von Dr. Consul einen Performance-Künstler, der in der Steuerbehörde einer süddeutschen Kleinstadt, in einer Schulklasse sowie einer Bundeswehrkaserne für allerlei Schabernack sorgt. Ein älterer Straßenclown sorgt für Rührung, eine Fake-Partei namens „Allianz für professionelle Politikgestaltung“ wird aus irgendwelchen Gründen gegründet, und am Ende klappt’s dann auch mit einer jungen Dame namens Jennifer im Problembezirk Zehlendorf.

Gutwillig könnte man sagen, dass der Erstlingsroman von Michael Dahlem dem Niveau einer harmlos-netten Soap-Opera entspricht und verfilmt werden sollte. Am besten von dem bekannten deutschen Filmpreisträger, der einer Freundin neulich schrieb: „Wenn ich noch einmal nach 24 Uhr bei Ihnen Musik höre, egal wie laut, werde ich über die Hausverwaltung rechtliche Schritte gegen Sie einleiten.“ Rührend stimmt ein beiliegender Zettel, auf dem der Autor berichtet, dass er vier Jahre an dem Buch geschrieben hat. Noch rührender ein Gutschein für seinen nächsten Roman.

DETLEF KUHLBRODT

Michael Dahlem: „Florian Anderbach“. Dr. Consul Verlag, 272 Seiten, 9,90 €