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Archiv-Artikel

U-Haft: Betreuung nach Kassenlage

Nach dem Suizid zweier Häftlinge in der Hamburger Untersuchungshaft fordert die Linke bessere Betreuungsangebote. Der Entwurf für ein neues Untersuchungshaftvollzugsgesetz, an dem Hamburg beteiligt ist, verspricht nur kleine Verbesserungen

VORREITER NIEDERSACHSEN

Als bislang einziges Bundesland hat Niedersachsen nach der Föderalismusreform ein eigenes Untersuchungshaftvollzugsgesetz geschaffen. Dies ist Bestandteil des niedersächsischen Justizvollzugsgesetzes, das seit dem 1. Januar 2008 in Kraft ist. Es wird jedoch bereits novelliert – nach Darstellung des Landes aufgrund eigener Evaluierungen. Externe sprechen jedoch davon, dass sich das Land in eine Außenseiterposition gebracht habe. Als Fallstrick für die Gesetzgebung gilt die Abstimmung zwischen Ländern und Bund, der weiterhin für das Haftrecht zuständig ist. Strittig ist aber auch, ob die Gerichte oder die Haftanstalten für Beschränkungen zur Sicherung der Haftzwecke zuständig sein sollen.  GRÄ

VON FRIEDERIKE GRÄFF

Nach dem Suizid zweier Häftlinge in der Hamburger Untersuchungshaft wirft die Linke der Justizbehörde vor, keine ausreichende Betreuung zu gewährleisten. „Die Verantwortlichen müssen sich vorwerfen lassen, dass sie nichts unternommen haben, um ihn zu verhindern“, schreibt die Justizexpertin der Partei, Christiane Schneider. Sie räumt jedoch ein, dass auch eine Reform der Untersuchungshaft und die Lockerung der Haftbedingungen die Selbstmorde nicht zwingend verhindert hätten.

In der Nacht zum 24. Januar hatte sich die 24-jährige Natascha W. das Leben genommen, in der Nacht zum 1. Februar. der 42-jährige Oliver B. Dass beide Suizide am Wochenende stattfanden, ist für Christiane Schneider kein Zufall: „Am Wochenende befinden sich weder Angehörige des psychologischen Dienstes noch Seelsorger in der Untersuchungshaftanstalt.“ Nach einer Studie des Instituts für Forensische Psychiatrie in Berlin besteht in der Untersuchungshaft eine höhere Suizidgefährdung als in der Strafhaft, „vor allem zu Beginn der Inhaftierung“.

Christiane Schneider fordert einen 24-Stunden-Bereitschaftsdienst vom Fachpersonal des psychologischen Dienstes. Dass Natascha W., die um 18 Uhr beim Einschluss in ihre Zelle zum letzten Mal lebend gesehen worden war, erst um 6.45 Uhr tot aufgefunden wurde, ist für Schneider indiskutabel. Weiterhin kritisierte sie die Organisation in der Untersuchungshaftanstalt als „absolut chaotisch“, der bauliche Zustand der Zellen sei inakzeptabel. Viele davon lägen im Keller, sie seien „heruntergekommen und verdreckt“.

Die Justizbehörde weist die Vorwürfe zurück. „Es hat bei den Aufnahmegesprächen keine Hinweise darauf gegeben, dass ein Suizid bevorstand“, sagt Thorsten Fürter, der Sprecher der Behörde. Deshalb habe eine besondere Beobachtung zwischen Ein- und Aufschluss in der Zelle nicht stattgefunden. Die Zahl der Suizide in der Untersuchungshaft hat in Hamburg nach der Antwort des Senats auf die Anfrage der Linken in den letzten zehn Jahren zwischen null und fünf geschwankt. Insofern seien die beiden Suizide im Januar und Februar „rein statistisch nicht auffällig“, so Behördensprecher Fürter.

Natascha W. sollte nach Widerruf einer Bewährung eine Reststrafe wegen Betrugs, Urkundenfälschung, Einbruchs- und Bandendiebstahl verbüßen. Laut Senat wurde W., die erst am Vortag festgenommen worden war, noch um 17.30 Uhr von Stationsbediensteten nach ihrer Verfassung und ihren Wünschen befragt. Zudem sei ihr ein Telefonat mit Angehörigen angeboten worden. Man habe ihr außerdem mitgeteilt, dass die Bediensteten jederzeit für sie ansprechbar seien.

Zurzeit prüft die Behörde die Umstände der beiden Suizide. Thorsten Fürter verweist auf den Koalitionsvertrag, der Änderungen bei den Einschlusszeiten in den Haftanstalten vorsieht, sich dabei jedoch nicht im Besonderen auf die Untersuchungshaft bezieht. Hamburg gehört – mit Bremen, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern– zu den zwölf Bundesländern, die gemeinsam einen Musterentwurf für ein Untersuchungshaftvollzugsgesetz erarbeitet haben. Bis zur Föderalismusreform lag dies in der Kompetenz des Bundes, der nun nur noch für das Untersuchungshaftrecht zuständig ist.

Der Republikanische Anwaltsvereins begrüßt den Entwurf als „gesetzestechnisch und handwerklich gelungen“. Dennoch sei die Verlagerung der Kompetenz auf die Länder ein Rückschritt, der „mehr Probleme geschaffen als gelöst“ habe. Der Bremer Kriminologe Johannes Feest sieht in dem Entwurf „kleine Fortschritte gegenüber dem geltenden Recht“, zum Beispiel in den Bereichen Arbeitsentgeld und Taschengeld. Rückschritte gebe es allerdings bei der Einzelunterbringung und nur „in ganz wenigen Punkten“ würden die Untersuchungsgefangenen gegenüber den Strafgefangenen privilegiert – wie etwa beim Recht auf zwei Stunden Besuch pro Monat.

Grundsätzlich ließen die Vollzugsgesetze den Haftanstalten jedoch „relativ viel Spielraum“. Dies gelte auch für die Betreuung am Wochenende. Das deutsche Dienstrecht sehe eine Montag bis Freitag- Woche vor, so Feest. Damit werde die Wochenendbetreuung zur Finanzfrage. „Dabei müsste es gerade in der Untersuchungshaft Angebote geben.“