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Archiv-Artikel

Blaues Auge für Bremer Knackis

Die Arbeitsmarktreform macht an den Mauern der Justizvollzugsanstalten nicht Halt: Weil das Arbeitsamt Menschen künftig vor allem in Jobs am ersten Arbeitsmarkt befördern soll, hat das Bremer Justizressort schon mit dem Umplanen begonnen

Von ede

bremen taz ■ Als das Hartz-Konzept ab Frühjahr im Bremer Justizressort die Runde machte, brach dort der kalte Schweiß aus. 1,5 Millionen Euro würden Bremen verloren gehen, wenn die Hartz-Vorgaben knallhart umgesetzt würden. 170 Gefangene im EU-geförderten „Chance“-Projekt hätten von jetzt auf gleich Einschluss statt Beschäftigung – weil die Bundesanstalt für Arbeit Aus- und Weiterbildung künftig nur zahlen will, wenn sie in Stellen auf dem ersten Arbeitsmarkt mündet. Kein Pappenstil bei insgesamt rund 780 Gefangenen.

Die laufenden Projekte, finanziert mit Geld von Bremen, Brüssel und dem Arbeitsamt, haben dagegen niedrigere Ansprüche: Verschiedene Trainingsmaßnahmen sollen Knackis vorrangig erst für Arbeit fit machen. Ohnehin liegt der erste Arbeitsmarkt, der Job bei der Firma draußen, hinter den Gittern der JVA je ferner, desto länger die Haftstrafe.

„Hartz hat die Gefangenen vergessen!“, stöhnten Justizkreise bundesweit. Sie hatten Schreckensvisionen von Knackis, die jahrelang nur Tüten kleben und Parfümpröbchen packen.Wo da der gesetzliche Anspruch auf Resozialisierung bleiben würde, war fraglich.

Zwar stehen die Zeichen in Bremen vorerst offiziell auf Entwarnung. „Das Bremer Arbeitsamt ist sehr kooperativ“, heißt es – und tatsächlich hat der hiesige Arbeitsamtsdirektor einen guten Namen wegen seines sozialpolitischen Engagements. Zudem wäre das Arbeitsamt wohl spätestens nach der Entlassung der Häftlinge Ansprechpartner. Doch würde sich wohl auch niemand trauen, der Bundesbehörde jetzt mit harter Kritik an den Karren zu fahren: Justiz, und damit Strafvollzug, ist Ländersache. Doch Länder und Kommunen sind pleite – und deshalb auf jeden Euro angewiesen. Je weniger das Arbeitsamt zahlt, desto mehr Geld muss anderswo aufgetrieben werden, sollen Gefangene nicht einfach in Zellen gesperrt werden. „Es wird eine Gemeinschaftsaufgabe sein müssen“, vermeidet Justizsprecherin Lisa Lutzebäck jeden Hinweis darauf, wer künftig zuzahlen soll.

Ein bisschen Zeit bleibt noch. Bis Jahresende werden von 170 EU- und arbeitsamtgeförderten Plätzen nur 30 wegfallen. Begehrte Computerkurse, die oft ein Einstieg in weitere Qualifizierung sind. „Aber wir sind zuversichtlich, dass das ab Januar weiter gefördert wird“, sagt der zuständige Planer im Justizressort Jürgen Hillmer. Ein wenig beschwörend klingt er dabei, denn das Ergebnis einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe unter Leitung Niedersachsens bleibt mindestens bis Herbst offen.

Klar ist schon jetzt: Wenn die Bundesanstalt auch im Knast eine Vermittlungsquote von 70 Prozent fordert, werden dort viele Angebote wegfallen. 50 Prozent Vermittlung in echte Jobs seien vielleicht möglich, sagen Fachleute wie Justiz-Abteilungsleiter Hartmut Krieg. Erwiesen sei, dass Berufsausbildung im Knast Rückfälle vermeide – „vor allem, wenn die Ausbildung in Arbeit draußen mündet“, sagt Krieg. Also sei das Hartz-Konzept für Gefangene, die eine Ausbildung schaffen können, nicht schlecht. Während die Justizbehörden der Länder die Bundesanstalt für Arbeit noch in die Pflicht nehmen wollen – „viele Maßnahmen im Knast würden draußen genauso stattfinden wie drin“ – beginnt in Bremen schon das Umdenken.

Bereits jetzt ist eine Abteilung in Planung, in der arbeitsfähige Gefangene ohne Drogenproblem ab Januar Ausbildungsförderung bekommen könnten – für Fernlernprogramme mit guten Vermittlungschancen nach der Entlasssung.

Das Problem jedoch wird die Mehrzahl der anderen Gefangenen sein – und haben. „Viele unserer Klienten schaffen den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt nie“, sagt Krieg nüchtern. Für kranke Problemstraftäter aber werden die Aussichten auf niedrigschwellige Förderung wohl erschwert – und noch hat niemand den Finger gehoben, um ihnen jetzt Integrationshilfe zu zahlen. ede