Einer der Falken in Bushs Regierung

John Bolton, Berater des US-Präsidenten und neuerdings mit Asien beschäftigt, bringt die Koreaner gegen sich auf

John Bolton gönnt Europa derzeit eine Verschnaufpause. Der Mann, der im US-Außenministerium an höchster Stelle verantwortlich für die Auflösung des ABM-Vertrages zeichnete, der George W. Bush von der Unterzeichnung des Kioto-Abkommens abhielt und bisher alles Nötige unternahn, damit sich die USA nicht an den Internationalen Strafgerichtshof binden ließen, hat derzeit in Asien zu tun.

Man erkennt den 54-Jährigen übrigens auch auf der östlichen Seite der Erdkugel nicht an seinem diplomatischen Titel („Staatssekretär für Rüstungskontrolle und internationale Sicherheitsfragen“), sondern an seinem Schnauzbart: „Wenn wir John Bolton schon einen Blutsauger und Erpresser nennen, sollten wir vielleicht auch etwas über seinen Bart sagen“, schlägt ein devoter nordkoreanischer Funktionär seinem Führer Kim Jong Il in der Karikatur einer Hongkonger Tageszeitung vor. Womit der Zeichner auf den jüngsten, von Bolton inszenierten Eklat anspielt.

Kaum hatte sich Nordkorea in der vergangenen Woche durchgerungen, an multilateralen Gesprächen über ein atomwaffenfreies Korea teilzunehmen und damit einer wichtigen Forderung Washingtons nachzugeben, holte Bolton den richtigen Knüppel aus dem Sack: Kim sei ein „tyrannischer Diktator, der sich mehr um die Anreicherung von Uran als um die Bereicherung seines Volkes kümmere“, wetterte der US-Stratege in Seoul. In einer kurzen Rede beschimpfte er Kim 41-mal namentlich – sehr zum Entsetzen eines südkoreanischen Publikums, das die gerade erst aufgelebten Hoffnungen auf Verhandlungen mit Nordkorea schon wieder schwinden sah. Tatsächlich reagierte die nordkoreanische Propaganda schon wenig später mit nicht minder beleidigenden Anschuldigungen gegen Bolton und verlangte seinen Ausschluss von den Verhandlungen. Womit dem Staatssekretär wohl keiner in Washington mehr übel nehmen kann, wenn er von nun an die Verhandlungen sabotiert.

Multilaterale Lösungen sind eben nicht Sache des in Yale geschulten Beraters dreier republikanischer Präsidenten. „Auf jeder Ebene der Politik gibt es heute eine globalistische Antwort, die nur dem einen Ziel dient, die individuelle Unabhängigkeit des Nationalstaats zu reduzieren, und zwar insbesondere die der USA“, schrieb der Anwalt in seiner regierungsfreien Zeit unter Clinton. Man bezeichnete ihn damals als „New Souvereigntist“. Damit qualifizierte er sich frühzeitig für den kleinen Kreis außenpolitischer Experten um George W. Bush. Heute sieht der US-Rechtsexperte Michael Glennon ihn als einflussreichsten Falken der Bush-Regierung neben Donald Rumsfeld und Paul Wolfowitz. Andere, wie der frühere Newsweek-Auslandschef Michael Hirsh, nennen ihn einen „Fundamentalisten wie Pat Buchanan“, weil er internationale Verträge schlicht als wertlos betrachte.

Die für die Zukunft entscheidende Einschätzung Boltons aber gab unlängst George Perkovich in Foreign Affairs: „Für Radikale wie Bolton sind nicht Atomwaffen per se das Problem, sondern die bösen Typen, die sie besitzen.“ In der Koreafrage, für die Bolton nun zuständig ist, gibt es in diesem Sinne folglich nur ein Problem: Kim Jong Il. Ihn zu beseitigen wird sich der Staatssekretär längst zur unausgesprochenen Aufgabe gemacht haben. Damit aber bringt er Asien womöglich den Krieg. GEORG BLUME