SCHWULER BISCHOF: LANGSAM, ABER SICHER WERDEN DIE USA LIBERALER
: Nervöse christliche Rechte

Katholiken, aufgepasst: In der relativ kleinen episkopalen Kirche dürfen Frauen zum Pfarrer und Bischof geweiht werden, offen schwule Männer bekleiden seit Jahren Kirchenämter – nun stellen sie auch einen Bischof. Dass die episkopale Bischofskonferenz schwulen Pfarrern die letzte Stufe in der Kirchenhierarchie nicht mehr verweigert, ist nur konsequent. Die Entscheidung zeigt, dass Religion in den USA nicht mit Traditionalismus und Fundamentalismus gleichgesetzt werden darf. Sie gibt Schwulen und Lesben in den USA Rückenwind in der erneut aufgeflammten Debatte um die Rechte von Homosexuellen.

Konservative und christliche Rechte wehren sich zurzeit mit Händen und Füßen gegen die Gleichstellung von Homosexuellen. Sie haben allen Grund, nervös zu sein: Der Oberste Gerichtshof schaffte kürzlich das Verbot und damit die Strafverfolgung von schwulem Sex ab. Einige US-Bundesstaaten wollen schwule und lesbische Partnerschaften teilweise legalisieren. Heiratswütige Paare pilgern nach Kanada, das die Homoehe zulässt. Die Gesetzgeber in Washington sind dadurch in massive Bedrängnis geraten, Experten für internationales Recht grübeln, welche Konsequenzen aus einer legal geschlossenen Ehe in Ottawa für das Zusammenleben in den USA erwachsen.

Die letzte Verteidigungslinie der US-Konservativen heißt nunmehr: Keine Zulassung der gleichgeschlechtlichen Ehe. Doch selbst ihr eigener Präsident ist kein sicherer Kantonist mehr. Zwar propagiert er nicht die Homoehe – sein moralisch-religiöses Weltbild hat Grenzen. Doch sieht er Amerika nicht auf dem Weg nach Sodom und Gomorrha wie die christlichen Rechten.

Der Wunsch von Schwulen und Lesben nach rechtlicher Gleichstellung wird übrigens auch unter einem demokratischen Präsidenten eher nicht erfüllt werden, denn die aussichtsreichsten Herausforderer von Bush lehnen die Homoehe ab. Der Weg bis zum Ende der Diskriminierung ist noch lang, aber er ist kein Spießrutenlauf mehr. Amerika ist liberaler geworden. Auch dank der Kirche.

MICHAEL STRECK