„Die Asylgründe liegen auf der Hand“

Deutschland soll die Flüchtlinge von der „Cap Anamur“ aufnehmen, fordert der Grünen-Abgeordnete Christian Ströbele

taz: Herr Ströbele, die sudanesischen Flüchtlinge auf der „Cap Anamur“ wollen in Deutschland Asyl beantragen. Sollen wir sie aufnehmen?

Hans-Christian Ströbele: Ja. Die Asylgründe liegen auf der Hand, wenn die Flüchtlinge tatsächlich aus der Krisenregion Darfur kommen. Dort herrschen eindeutig Verfolgungszustände. Auch wenn sie möglicherweise nicht direkt von der Regierung ausgehen, gehen sie doch von Milizen aus, die der Regierung nahe stehen.

Aber müsste nicht Italien die Flüchtlinge aufnehmen?

Die Flüchtlinge befinden sich auf einem Schiff, das unter deutscher Flagge fährt – und damit auf deutschem Territorium. Da sie nicht über einen sicheren Drittstaat kommen, können sie in Deutschland Asyl beantragen.

Und wenn die Flüchtlinge nicht aus Darfur stammen?

Dann kommt es jeweils darauf an, aus welchem Land sie kommen und ob eine politische Verfolgung vorliegt. Wir haben gerade erst die nichtstaatliche Verfolgung als Quasi-Asylgrund im Zuwanderungsgesetz verankert. Wenn die Flüchtlinge in ihrem Herkunftsland verfolgt worden sind, dann müssen sie auch anerkannt werden. Aber ich gehe zunächst einmal davon aus, dass sie aus Darfur stammen.

Aber das Zuwanderungsgesetz tritt erst 2005 in Kraft. Kann das zum Probem werden?

Die Regelungen im Zuwanderungsgesetz sind ja nichts weiter als eine konkrete Ausgestaltung für den Begriff der politischen Verfolgung, der im Grundgesetz ohnehin festgeschrieben ist. Schon bisher haben die Gerichte in vielen Fällen so entschieden. Die Flüchtlinge vertrauen offenbar auf die Bundesrepublik, meiner Ansicht nach zu Recht. Die Bundesregierung hat sich in den letzten Wochen sowohl bei der UNO als auch vor Ort dafür eingesetzt, dass die Verfolgung in Darfur endlich beendet wird.

Was halten sie dann von der Aussage von Innenminister Otto Schily, Malta solle die Flüchtlinge aufnehmen, sonst werde ein gefährlicher Präzedenzfall geschaffen?

Der Fall ist singulär, und man kann die Verantwortung in einer solch schwierigen Situation nicht auf andere Länder abschieben. Wir wissen, dass Italien und andere Mittelmeerländer in der Vergangenheit erhebliche Flüchtlingsprobleme hatten und auch viele Flüchtlinge aufgenommen haben.

Liegt Schilys Position nicht auf der Linie der gesamten rot-grünen Bundesregierung, im Fall Sudan viel zu reden, aber nichts zu tun?

Das sehe ich überhaupt nicht. Die Bundesregierung tut sehr viel. Der Außenminister ist heute in Darfur. Erst vorige Woche hat eine Bundestagsdelegation dort Gespräche geführt und eigene Ermittlungen angestellt, um die Situation aufzuklären. Die Bundesregierung setzt sich dafür ein, dass die unerträglichen Menschenrechtsverletzungen dort beendet werden.

Wie bewerten sie die Ankündigung des Kapitäns der „Cap Anamur“, notfalls auch ohne Genehmigung in den italienischen Hafen einzufahren?

Das zeigt nur, wie dramatisch die Situation ist – und dass die Europäische Union handeln muss.INTERVIEW: SUSANNE VANGEROW