: Leise Kugeln fürs Büro
Fünf Studentinnen und ein Erotikkonzern: Beate Uhse entdeckt die sinnliche Seite der Frau. Mit einem neuen Ladenkonzept sollen auch die Damen für Sexprodukte interessiert werden
AUS BERLIN JASNA ZAJCEK
Bislang gab es kaum einen unschuldigeren Ort in Sachen Ehehygiene als Karstadt. Vorbei: Zumindest im Kaufhaus am Hermannplatz in Berlin muss Mutti nun ein bisschen besser auf die Kinder aufpassen, wenn sie mit ihnen durch die erste Etage zieht. Hier, wo vor allem die türkisch- und arabischstämmige Nachbarschaft gerne einkauft, hat sich „Mae B.“ (sprich bzw. hauche verführerisch: „maybe“), die erste Erotikshop-Kette für Frauen, in der Wäscheabteilung des schwächelnden Kaufhausriesen eingemietet. Doch mitnichten werden hier langweilige Strapse oder klopperige Dildos im Shop-in-Shop-Prinzip feilgeboten, bei „Mae B.“ soll die interessierte Kundin aller Altersklassen genau das erwarten dürfen, was die Beate Uhse AG und fünf Studentinnen gemeinsam mit der Zielgruppe erarbeiteten.
Die jungen Frauen waren auf der Suche nach einem Auftraggeber für ihre Abschlussarbeit an der Universität der Künste. Passenderweise war die börsennotierte Beate Uhse AG, erwachsen aus dem weltweit ersten Erotikladen, 1962 gegründet als „Fachgeschäft für Ehehygiene und Fachbuchhandlung“, gerade auf der Suche nach der Idee, die auch Frauen endlich zu ihren Kundinnen machen sollte. Denn die Beate Uhse AG plant, im Geschäftsjahr 2004 rund 290 Millionen Euro umzusetzen.
Yvette Najorka hatte im Auftrag des Sexkonzerns mit ihren Kommilitoninnen durch verschiedene Forschungsmethoden herausbekommen, dass die Zeit reif sein musste für einen Erotikshop für Frauen. Schon damals, im Mai 2003, gab es Geschäfte in England, Norwegen und auch in Deutschland, doch die tatsächlichen Wünsche von Frauen beim erotischen Einkauf waren unbekannt.
Den Studentinnen gefielen die bisherigen Geschäftskonzepte nicht, und so erarbeiteten sie mit Diskussionsteilnehmerinnen die erotische Boutique, die nun von Beate Uhse bundesweit umgesetzt wird, um ihre bisher zu 80 Prozent aus Männern bestehende Zielgruppe zu erweitern.
Denn die altbekannten rot-schwarzen, lüstern und schleimig anmutenden Lkw-Fahrer-Entladungsstationen haben mit Damen von Welt und ihren geheimen Wünschen kaum etwas gemein. Frauen wollen ihren Vibrator nicht von einem geifernden Wesen überreicht bekommen, das mit abtastenden Blicken hinter seiner Hornbrille hervorschielt, sondern wünschen sich „fachkundige Beratung“ und „gepflegtes Äußeres“ vom Sex-Toy-Verkäufer ihres Vertrauens. Bei „Mae B.“ in Berlin übernimmt das eine charmante, etwas stämmige und sehr blonde Enddreißigerin. Sie strahlt Know-how aus. Das Ambiente ist kuschelig – also „sinnlich-anregend“ –, gar nicht keimig-puffig. Und die reizende Wäsche – ein wahrer Fortschritt gegenüber herkömmlichen Sexshops – geht nicht einfach verschweißt und in nur drei Größen über den Ladentisch, sondern kann im schmeichelnden Licht großräumiger Kabinen anprobierbar werden. Etwas befremdlich wirkt es schon, wenn neben Korsagen im Chinaseidenlook für 169 Euro wild-experimentelle Dildoformen aus schwerem, „bruchsicherem“ Glas auf Samtkissen zum Anfassen bereitliegen. Doch immer wieder schön: der „Was es nicht alles gibt“-Effekt. Die Vibratorenlinie „Natural Contours“ gibt sich ergonomisch und natürlich, denn hier werden Vibratoren „aus Handymaterial“ (Pressesprecherin Beate Uhse) in Formvariationen dargeboten, die durchaus befähigt sein könnten, ihr Ziel zu erreichen: Modell „Ultime“ z. B. sieht aus wie irgendetwas Nutzloses von Alessi in Himmelblau und soll aber doch dank „innovativer Form Schambein, Klitoris und G-Spot“ erregen. In drei Stufen und weil alle Anschauungsvibratoren bereits mit Batterien bestückt sind, summt es bei den kichernden, neugierigen Kundinnen erfreulich leise in der Hand. Doch die wahre Innovation sind die Bett-Accessoires wie „Chocolate Body Painting“, Honig-Körper-Puder oder Erdbeer-Champagner-Massageöl, das auch gerne geschleckt werden kann, denn angeblich ist alles „auf natürlicher Basis, getestet und sehr verträglich“. Das aufsehenerregendste Teilchen muss erst noch im Feldversuch getestet werden: das „weltweit erste Schmuckstück mit erotischer Funktion“, der „PVibe – Penisvibrator“, den Mann an Gürtel, Arm, um den Hals und natürlich um sein Lieblingsstück herum tragen kann. Dort kann man das H-förmige Stahlteil zum Vibrieren bringen. Diese Schwingungen werden über den Penis an die Partnerin weitergesendet. Laut Erfinder soll so „eine Brücke zwischen Erotik, Design und Mode“ geschlagen werden.
Ach ja: Und die „leisesten Liebeskugeln der Welt“ soll es hier auch noch geben. „Fürs Büro.“