BERLIN - VON KENNERN FÜR KENNER : Jetzt neu: Mitte ohne Namen, ohne Trend und ohne Schuhe
Damals tief in den 90er-Jahren, als Ausgehen nur im Untergrund stattzufinden hatte, war selbiges eine Wissenschaft für Insider. Interessante Orte waren ranzig, verschroben, versteckt, vor allem aber eins: illegal. Deshalb hatten sie erst gar keinen Namen. Diese Clubs sind längst verschwunden, die ehemaligen Besucher längst etabliert, mit Frau oder Kind, manchmal auch mit Kohle, vor allem aber mit der Sehnsucht nach dem alten Geheimnis des Ausgehens. Die Gastronomie bietet dafür nun als eine Art 90er-Revival interessante Orte. Sauber, designt, leicht zu finden, vor allem aber: namenlos. Und bieten daher begehrten Gesprächsstoff.
SCHWEDTER STRASSE
„Schwedter Eck“ nennen echte Kenner zum Beispiel das Café an der Ecke Kastanienallee, heißt es. Sie liegen falsch. Die Bar glänzt mit dem üblichen Milchkaffee und viel Sonne. Unschlagbar ist der Blick durch die bei gutem Wetter völlig versenkbaren Panoramafenster auf Mitte. Das gibt sich hier zwar sehr unglamourös, beginnt dafür auf der anderen Straßenseite. Idealer Ort für den Mitte-kritischen Café-Kenner.
Schwedter/Ecke Zionskirchstraße, Prenzlauer Berg, U-Bahn Rosenthaler Platz
VETERANENSTRASSE
„Café, Saft, Wein“ steht manchmal auf einer kleinen Tafel neben der Tür, vor der sich seit Wochen das Publikum auf Sofas fläzt. Jahrelang suchte der Hausinhaber nach einem Pächter. Ein Einrichtungsentwurf dafür vergammelte im Fenster. Jetzt wird zwar vorzüglicher Wein ausgeschenkt, von dem Entwurf ist aber zum Glück nichts geblieben. Zudem gibt es ein fast schon Underground-adäquates Zahlungssystem, das die Fantasie des Kenners doppelt beglückt.
Veteranenstraße/Ecke Fehrbelliner Straße, Mitte, U-Bahn Rosenthaler Platz
ACKERSTRASSE
Fast banal dagegen das Café in den Vorräumen der Acker-Halle. Kahl wie ein Bahnhofsfoyer könnte es an anderem Ort leicht zum coolen Hip-Ort werden – wenn das Essen besser wäre. Aber den Cappuccino sollte man trinken, vor allem wenn der Südländer mit dem ansteckenden Lächeln hinter der Bar steht. Ein Muss: die Klos, versteckt und schwarz.
Ackerstraße 23–26, Mitte, U-Bahn Rosenthaler Platz
TUCHOLSKYSTRASSE
Ein „B“ hängt im Fenster. Das ist noch kein Name, aber immerhin ein Indiz. Befand sich doch hier in alten Besetzertagen die „Buchhandlung“, in der es so ziemlich alles außer Bücher gab. Nun ist das Haus renoviert, Exbesetzer genießen nun Victors handgeschüttelte Frischfruchtdrinks. Vorsicht: für Schwaben teurer!
Tucholskystraße 34, Mitte, S-Bahn Oranienburger Tor
INVALIDEN-, ECKE BRUNNENSTR.
Die Sensation: Katharina Thalbach, ganz gegen den Trend mit Namen, dafür aber ohne Schuhe die Kreuzung querend. GA