: Viel Rauch, kein Feuer
Mit einem Konzert für Handfeuerlöscher eröffnete am Sonntag pünktlich die Ausstellung „Conceptualisms“ in der Akademie der Künste. Durch frisch rasierte Frauenbeine war der Dirigent Sven-Åke Johansson nur kurz zu sehen
Heutzutage ist alles eines Frage des korrekten Timings, gerade bei der Kunstrezeption. Am Sonntagmorgen, so um 11, sollte die feierliche Eröffnung der Austellung Conceptualisms – Zeitgenössische Tendenzen in Musik, Kunst und Film – mit einem Konzert für Handfeuerlöscher beginnen, arrangiert von Sven-Åke Johansson. Genau das Richtige also bei der derzeitigen Waldbrandgefahr.
Wird frühestens um Viertel nach 11 anfangen, dachte man, genug Zeit also, um durch den Tiergarten zu radeln. Kurz vorm Hanseatenweg eine Rauchwolke. Hatte der Künstler ein Lagerfeuer entzündet, um es dann neben der Akademie der Künste kunstvoll mit 15 Minimax Handfeuerlöschern zu ersticken?
Beim Näherkommen entpuppt sich der Rauch als feiner Löschschaum, der den Dirigenten fast unsichtbar macht. Es zischt heftig, während man das Rad provisorisch abstellt. Eine Hundertschaft auch von hinten noch als gewählt gekleidete Morgenvernissagebesucher zu identifizierende Menge versperrt nun die Sicht auf „MM schäumend“. MM steht an diesem Morgen für Minimax Feuerlöscher, die übrigens in keinem Gebäude fehlen sollten. „Hast du Minimax im Haus, breitet sich kein Feuer aus. Aber Minimax ist Mist, wenn du nicht zu Hause bist“ lautet eine Volksweise aus dem Ruhrgebiet. MM – vielleicht auch eine coole Anspielung auf Sekt, um die Konsumhaltung des Publikums zu entlarven?
Johansson ließ sich zu der Performance inspirieren, als er bei einer Rauchpause im Deutschlandradio wieder einmal vor einem dieser wie Kunstobjekte in allen semiöffentlichen Fluren rumhängenden roten Unika stand.
In den Siebzigerjahren produzierte er diverse Platten für die Berliner FMP (Free Music Production) und gab legendäre Geräuschkonzerte an diversen Orten – gern auch beim Total Music Meeting, der Avantgardekonkurrenz zum Jazzfest.
In den letzten Jahren hat er sechs- oder siebenmal auf dem Land Noisekonzerte mit Traktoren dirigiert – vor allem für die Landbevölkerung eine irritierende Erfahrung. Vor der Akademie zischt es jetzt leiser, so als ob die letzte Luft aus einem Reifen entweicht. Noch immer ist das Rad nicht an die Akademie gefesselt. Der Dirigent ist kurz durch ein paar noch recht frisch rasierte Frauenbeine zu sehen – leider klebt an ihnen kein Löschschaum. Nun verbeugt er sich, links und rechts von ihm stellen die dunkel gekleideten Feuerlöschleute ihre roten Minimaxe vor sich auf den Boden. Langsam setzt Applaus ein. Das erste Stück ist zu Ende.
Sven-Åke Johansson verbeugt sich wieder – man registriert nun seinen schön sandfarbenen Anzug – und tritt bedächtig aus einer großen weißen Löschschaumpfütze. An seinem Anzug kein bisschen Schaum. Ein Mann neben mir erklärt seiner gerade ankommenden Freundin, was passiert ist. „Es gab ein Zischen in verschiedenen Lautstärken, viel Rauch, kein Feuer, kein Wasser, aber eine Art Wasserdampf. Dann sah man den Dirigenten nicht mehr.“ Und was kommt jetzt, fragt sie ihn. „Nichts mehr, die Löscher haben nur Schaum für vier Minuten, nachgefüllt wird nicht.“
Johansson verlässt langsam das Terrain. Ich frage ihn, ob er das Feuerlöscherkonzert im Laufe der Ausstellung noch einmal aufführen wird. Er schüttelt den Kopf. Ein Fernsehteam filmt die auf dem Boden stehenden Minimaxe. Etwas später kommt jemand mit einem Kleinbus, sammelt die Löscher ein und fährt weg. Auf der Akademietreppe spricht der Kurator die letzten Worte, dann laufen die ersten Leute fast hektisch in die nun offiziell eröffnete Ausstellung.
ANDREAS BECKER
Conceptualisms, bis 25. 10., Di. bis So. 11–20 Uhr, Akademie der Künste, Hanseatenweg 10, Tiergarten