heute in bremen
: „Opfern wird häufig nicht geglaubt“

Die Shakespeare Company spielt „Maß für Maß“ für die Beratungsstelle „Schattenriss“

taz: Frau Jürgensen, wie sind die Verbindungen zwischen der Bremer Shakespeare Company und dem „Schattenriss e. V.“?

Solrun Jürgensen, Schattenriss e. V., Beratungsstelle gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen: Erich Roßbander von der Company ist seit vergangenem Jahr unser Schirmherr. Heute spielt die Company „Maß für Maß“ als Benefizveranstaltung – das ist auch eine gute Gelegenheit, unsere Arbeit bekannt zu machen. Wir haben pro Jahr etwa 900 Beratungen.

Was ist das Thema beim anschließenden Publikumsgespräch? Bei Shakespeare gibt es jede Menge Machtmissbrauch, aber nicht an Mädchen.

Es gibt einige thematische Verbindungen. Wenn der Statthalter Angelo zu seinem Opfer Isabella sagt: „Dein Wort gilt weniger als meine Lüge“ entspricht das genau der Erfahrung der Missbrauchsopfer, mit denen wir arbeiten: Ihnen wird häufig nicht geglaubt. Andererseits ist Angelo durch seine hohe Selbstreflektion eher untypisch: Missbraucher planen ihre Taten in der Regel minutiös, oft verleugnen sie den Missbrauch standhaft – auch vor sich selbst.

Bei Shakespeare steht am Ende eine Doppelhochzeit: Isabella kriegt den „guten“ Vincentio, der wiederum verurteilt Angelo zur Heirat mit Marianna – die gar nicht gefragt wird. Mit dieser Art von finaler Moral werden Sie sich kaum identifizieren.

Natürlich nicht, denn Isabella heiratet den Herzog nicht freiwillig, sondern er nimmt sie sich, nachdem er sie gedemütigt und gebrochen hat.

Interview: Henning Bleyl

19.30 Uhr, BSC am Leibnizplatz