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Archiv-Artikel

Dickes Glück

Der 21-jährige Film- und Theaterschauspieler Tino Mewes beginnt im Herbst als „Tom Sawyer“ am Hamburger Thalia Theater. Ein Porträt

„Beim Film dachte ich: uuh – ganz schön hart. Die ersten Castings waren schlimm“

von Caroline Mansfeld

Zum Interview brettert er lässig auf dem Skateboard heran: „Das musste ich für meine neue Rolle lernen“, sagt Tino Mewes. Delphinsommer heißt der Film. Mit dabei ist auch Sophie Rogall, die bereits in Mewes‘ Filmdurchbruch Fickende Fische seine Partnerin war. Die Rolle des introvertierten HIV-positiven Jan machte Mewes über Nacht bekannt. Für seine zweite Filmrolle überhaupt räumte er gleich den Preis des Max-Ophüls-Filmfestes ab.

Schnell muss Tino Mewes sein, um das derzeitige Pensum in seinem Leben zu bewältigen. Das Studium an der Ernst-Busch-Schauspielschule ist fast geschafft. Das Intendantenvorsprechen im Herbst braucht er nicht mehr, denn sein erstes Engagement hat er längst in der Tasche. Findige Thalia-Dramaturgen spürten den Studenten auf und engagierten ihn fest im Hamburger Thalia Theater. Dort wird er im Herbst seinen Einstand als Tom in Tom Sawyer und Huckleberry Finn geben.

So richtig fassen kann Tino Mewes sein Glück noch nicht. „Ich denke nicht viel über Zukunft nach. Das ganze Glück ist mir fast zu dicke.“ Der Berliner Akzent ist unverkennbar. Mewes ist dort aufgewachsen. Die Mutter Grafikerin, der Vater Computeringenieur. Bei ihnen genoss Mewes eine Jugend mit allen Freiheiten. „Ich war ein ziemlicher Zappelphilipp in der Schule“, sagt Mewes, und seine Stimme überschlägt sich. „Irgendwann habe ich an einem Kurs Darstellendes Spiel teilgenommen und die Theater AG besucht. Damit hat es angefangen.“

Nach der Realschule wollte er eigentlich Comiczeichner werden. Doch Erfolg hatte seine zweite Bewerbung an der privaten Theaterwerkstatt Charlottenburg. Nach drei Jahren wechselte er an die Berliner Ernst-Busch-Schule. „Ich habe immer das mitgenommen, was mir gefiel und alles andere nicht an mich rangelassen“, erklärt Mewes. Einer, der genau weiß, was er kann und kein Aufhebens darum macht.

Doch bei allem Talent: Eine große Portion Glück braucht es auch. Durch Zufall lernte er seine Agentin auf einer Hochzeit kennen. Ergebnis: Die erste kleine Rolle in dem Film Einsteins Nacht. Mewes spielt Bruno Ganz als Teenager. „Ich dachte: cool. Machste mal. Guckste mal. Doch dann habe ich Bruno Ganz an den zwei Drehtagen gar nicht getroffen.“ Enttäuschung klingt durch. „Ich hatte das Gefühl, dass das Theater eher das Richtige für mich ist“, sagt Mewes, „beim deutschen Film dachte ich: uhh – ganz schön hart. Die ersten zehn Castings waren schlimm. Es war widerlich, sich vor der Kamera zu drehen. Ich dachte, das ist nicht mein Bereich.“

Er war es dann doch. Für Fickende Fische wurde Mewes von Regisseurin Almut Getto aus 700 Bewerbern ausgewählt. Danach spielte er Nebenrollen in erstklassig besetzten deutschen Produktionen. Den Langer Schäfer etwa in Liegen Lernen. Oder den Django in der Absynth-Szene aus Was nützt die Liebe in Gedanken.

Nach soviel Tragik hatte er Lust auf eine Komödie. Die Nacht der lebenden Loser kommt im August in unsere Kinos. „Die Leute werden mich dafür hassen“, grinst Mewes. „Das ist die erste deutsche Zombiekomödie. Sehr lustig und sehr farbenfroh.“ Ernsthafter ist da schon Kleinruppin Forever, der im Herbst anläuft. „Da bin ich wieder in einer meiner typischen Nebenrollen. Als Kumpel aus dem Osten“.

Ein Tag im Leben des Tino Mewes beginnt mit halbtägigem Szenenstudium an der Schule, am Wochenende gibt es Vorstellungen am Deutschen Theater in Dimiter Gottscheffs Tod eines Handlungsreisenden und Die Vögel in der Regie von Christian Weise und Christian Tschirner. Auch in den Ferien dreht er, „weil das sowieso mein Leben ist.“ In seiner knappen Freizeit verschlingt er Kinofilme, Videos und DVDs oder nimmt selbst die Kamera in die Hand. „Mir ist es wichtig, das Gefühl zu vermitteln, dass man das Leben meistern und genießen kann. So wie in meinem Lieblingsfilm ,American Beauty‘“, sagt Mewes. Und benennt vielseitige Interessen: „Bei Klassikern kann ich die Sprache und die Form genießen. Bei Gegenwartsstücken die Kritik an der Welt. Am Set kannt du zwar Blicke und Emotionen perfektionieren. Dafür kannst du aber nie wirklich in das Gefühl reinkommen.“

Jetzt steht also Hamburg an, und da muss der Film zurücktreten. Seine WG, die er seit drei Jahren mit seinem besten Freund am Prenzlauer Berg teilt, will Mewes allerdings vorerst beibehalten. Und über sein künftiges Publikum kann er vorerst nur Vermutungen anstellen: „Die sind doch eher gemütlich.“ Spricht‘s und schwingt sich auf seinem Skateboard in die Berliner Nacht.