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Archiv-Artikel

Privater Zahnersatz – voll reguliert

Laut dem Arbeitsentwurf des Gesundheitsreformgesetzes sollen Versicherte für Zahnersatz und Krankengeld 0,8 Prozent mehr Beiträge zahlen. Datum noch unklar. Privatkassen laufen Sturm. So haben sie sich den „fairen Wettbewerb“ nicht vorgestellt

von ULRIKE WINKELMANN

Die gesetzlich Krankenversicherten sollen zur Sanierung der Krankenkassen und zur Senkung der Lohnnebenkosten einen Sonderbeitrag von 0,8 Prozent vom Bruttoeinkommen zahlen. Damit sollen die Arbeitgeber von ihrer Hälfte der Kosten für Zahnersatz und Krankengeld – veranschlagt mit vier Milliarden Euro – entlastet, die Arbeitnehmer entsprechend belastet werden. Dies geht aus dem „Arbeitsentwurf“ des Gesetzes zur Gesundheitsreform hervor, der der taz vorliegt. Er soll heute von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) abgesegnet werden.

Am 21. August werden sich die Reformverhandler von SPD, CDU, FDP und Grünen erneut treffen, um über den 400-seitigen Entwurf zu beraten. Er ist im Wesentlichen die juristische Ausformulierung der von den Großkoalitionären am 22. Juli vorgelegten „Eckpunkte“. Ausgerechnet beim Zahnersatz – von vornherein der strittigste Punkt – bleiben nun jedoch ein paar Fragen offen. Laut Eckpunkte-Papier sollte der Zahnersatz 2005, das Krankengeld 2007 nicht mehr von den Arbeitgebern mitfinanziert werden. Der vorliegende Entwurf fasst nun diese beiden Maßnahmen zusammen – ohne freilich ein Datum zu nennen, ab wann die 0,8 Prozent Sonderzahlung fällig werden. Grundsätzlich soll das Gesetz am 1. Januar 2004 in Kraft treten.

Um auszurechnen, mit welcher Mehrbelastung ein Versicherter zu rechnen hätte, muss man nun nach dem Motto „ein Schritt vor, einer zurück“ vorgehen: Vom Durchschnittsbeitrag, derzeit 14,3 Prozent, geht erst runter, was die Reformer mit ihrem Gesetz einsparen wollen. Schließlich sollen durch private Zuzahlungen, die Streichung von Leistungen (Brillen, Fahrtkosten) und die erhöhte Tabaksteuer die Kassen schon im kommenden Jahr um 10 Milliarden Euro entlastet werden. Dann schlägt man die Sonderzahlung für die Arbeitnehmer wieder drauf.

Für den (unwahrscheinlichen) Fall, dass die genannten Maßnahmen schon 2004 in Kraft treten und die veranschlagten Sparziele erreicht werden, würde ein Versicherter erst um 0,75 Prozentpunkte entlastet und dann mit 0,8 wieder belastet. Eine Zusatzbelastung von 0,05 Prozentpunkten macht bei einem Einkommen von zum Beispiel 2.000 Euro einen Euro Unterschied. Doch die Unsicherheitsspannen bei allen Berechnungen sind beträchtlich.

Unklar ist auch, ob die Opposition der vorgesehenen Regelung für den Zahnersatz zustimmt. Denn die Union fordert, dass der Zahnersatz auch privat versichert werden kann – hierzu verlangen die Eckpunkte einen „fairen Wettbewerb“ zwischen gesetzlichen und privaten Kassen. Der Entwurf sieht nun vor, dass ein gesetzlich Versicherter seine Sonderzahlung auf 0,5 Prozent reduzieren kann, wenn er eine Privatversicherung für seinen Zahnersatz vorweisen kann. Die Privatkassen werden dazu verdonnert, eine einheitliches Angebot zu schaffen. Um preistechnisch konkurrieren zu können, müsste dies sich auf weniger als elf Euro im Monat belaufen.

Der Verband der Privatkassen, PKV, erklärte der geplanten Regelung gestern den Krieg. „Das hat mit den Eckpunkten nichts zu tun“, sagte PKV-Sprecher Christian Weber zur taz. „Fairer Wettbewerb wäre, wenn die gesetzlichen Kassen nach den Spielregeln der Privaten eine eigene Zahnersatzversicherung aufbauen müssten.“ Nur hierdurch würden die besonderen Verwaltungskosten berücksichtigt, die den Privaten entstünden.

Die Gesetzlichen dagegen äußerten gestern skeptische Erleichterung angesichts des Entwurfs. „Wir sind auch noch am Rechnen“, sagte ein AOK-Mitarbeiter. „Aber natürlich wäre dies für uns die einfachste Lösung.“