DAS GLOBALISIERTE MANAGEMENT UND DIE „SCHWÄBISCHE KRANKHEIT“ : Was Not tut, ist gegenseitiges Verständnis
Jürgen Schrempp, Herrscher über den Konzern DaimlerChrysler, hat sich trotz seiner weltumspannenden Aufgaben als einfühlsam gegenüber der Gefühlslage im schwäbischen Werk Sindelfingen gezeigt. Den dortigen Beschäftigten erklärte er, dass er ihre Empörung angesichts der Abwanderungsdrohungen für die Produktion der C-Klasse „verstehen“ könne, sei sich aber sicher, man werde „eine von allen Seiten getragene Lösung finden“. Jetzt sind also die Sindelfinger ArbeiterInnen an der Reihe, für die Kürzungen bei Löhnen, Pausen, Urlaubstagen Verständnis aufzubringen
Vor Schrempps Intervention war die Verstehensbasis durch das Mercedes-Managment stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Das böse Wort des Mercedes-Chefs Jürgen Hubbert von der „schwäbischen Krankheit“ verletzte gleich in doppelter Weise die Corporate Identity der Werktätigen. Sie mussten sich als Stammes- wie als Werksangehörige getroffen fühlen.
Dabei würde etwas psychologisches Verständnis seitens der Sindelfinger zutage fördern, dass es sich bei der Rede von der „schwäbischen Krankheit“ nur um eine Projektion der Unternehmerseite handelt. Seit der integrierte Weltkonzern DaimlerChrysler geboren wurde, wird das schwäbische Management den heimischen Gebräuchen entfremdet, erbarmungslos in Crash-Kurse gepresst und in unwirtliche Weltgegenden versetzt. Kein Wunder, dass gegenüber den Sindelfingern, die stur am Heimatort bleiben, die aggressive „schwäbische Krankheit“ der Manager um sich greift.
Auf der Basis eines solchen gegenseitigen Verständnisses wird es den Sindelfingern leicht fallen, den Forderungen der Konzernleitung zuzustimmen. Dies umso mehr, als bereits 1996 eine Regelung vereinbart wurde, nach der die Produktionskosten pro Auto um 1.000 DM gesenkt wurden. Dass damals im Gegenzug vereinbart wurde, betriebsbedingte Kündigungen bis zum Jahr 2000 auszuschließen, kann die Sindelfinger nicht ernsthaft beunruhigen. Wenn nur gegenseitiges Verständnis obwaltet, bleibt die Produktion der C-Klasse, wo sie hingehört, gell. CHRISTIAN SEMLER