: Moderne Dienstleistungen
Acht Etagen stehen in der Rudi-Dutschke-Straße für ca. 50.000 Stammkunden bereit. Äußerlich markieren nur zwei unscheinbare, senkrecht zu lesende Aufkleber diesen für viele lebenswichtigen Ort, der seit seiner Eröffnung am 23. Mai 2005 nicht um seine Besucherzahlen fürchten braucht: das Jobcenter. Wie es darin aussieht, dokumentieren die Fotos dieser Seite.
Berlin hat drei Agenturen für Arbeit, zu jeder Agentur für Arbeit gibt es vier Jobcenter, also insgesamt zwölf für Berlin. Bei der Agentur für Arbeit kann nur der Kunde werden, der eine versicherungspflichtige Beschäftigung von zwölf Monaten innerhalb von zwei Jahren nachweisen kann. Diese Bedingung wird in der heutigen Zeit viel seltener erfüllt, und die überwiegende Zahl der Arbeitslosen landet somit bei den Jobcentern. Auch dürfen versicherungspflichtig Beschäftigte nicht mit Arbeitslosengeld-II-Empfängern in einer „Bedarfsgemeinschaft“, sprich in einer Partnerschaft oder einem Familienbezug zusammenleben, ohne für diese, wenn das Einkommen dies erlaubt, vollkommen aufkommen zu müssen.
Mit der Einführung der Hartz-Gesetze als Umsetzungsversuch des Konzepts „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ bekam der zweite Arbeitsmarkt (staatlich subventioniert) überflutenden Zuwachs. Zahlreiche Kooperationsinstitutionen nehmen sich seither dieser Flut von Jobcenterkunden und des „Geschäfts durch Beschäftigung“ an, um deren weder freiwillige noch einforderbare Teilnahme zu organisieren. Obwohl bereits nachgewiesen wurde, dass sogenannte 1-Euro-Jobs nicht den gewünschten Effekt haben, Erwerbslose wieder in den ersten Arbeitsmarkt zu integrieren, werden dieses arbeitsmarktpolitische Instrument und die dahinterstehende Wirtschaft nicht nur in Berlin mit Millionenaufwand weiter gehegt und gepflegt.
Dass in den Medien ständig die angeblich niedrigsten Arbeitslosenzahlen seit sechzehn Jahren verkündet werden, hat einfache Hintergründe. Es werden nur arbeitslose Menschen gezählt, die zum gegebenen Zeitpunkt in Arbeit vermittelt werden können. Nicht als arbeitslos gelten demnach alle, die in einer der zahlreichen Trainingsmaßnahmen stecken, die arbeitslos in einer Bedarfsgemeinschaft leben, die arbeitsunfähig erkrankt sind oder die im Rahmen der sogenannten 58er-Regelung nicht mehr vermittelt werden, auch wenn diese ihren Lebensunterhalt ganz durch das Jobcenter sichern.
Für die 600 Mitarbeiter des Jobcenters Friedrichshain-Kreuzberg sinkt also trotz zahlreicher, zeitintensiver Jobvermittlungen nur selten die zu bearbeitende Kundenzahl.
KAROLA GÄDKE ist Fotografin, von ihr stammen die Bilder dieser Seite. Es handelt sich um die Abschlussarbeit des Lehrgangs in Reportagefotografie am Photocentrum der VHS Kreuzberg. Ihre Arbeiten sind in der Ausstellung „Arbeitswelten“ noch bis zum 20. Februar im Projektraum der Alten Feuerwache in der Marchlewskistraße 6 in Berlin zu betrachten