: „Köln hat musikalisch kein eigenes Gesicht“
Die freie Musikszene wird in Köln nicht genügend unterstützt, obwohl die Stadt großes musikalisches Potenzial hat, meint der Kölner Jazz-Saxofonist Frank Sackenheim, der vor kurzem den Förderpreis der Stadt Köln erhalten hat
taz: Herzlichen Glückwunsch, Herr Sackenheim. Sie haben den Jazzförderpreis der Stadt Köln erhalten. Wie kam es dazu?
Frank Sackenheim: Auf den Preis kann man sich bewerben, wenn man unter 30 ist. Man muss in Köln leben und arbeiten. Zudem muss im Lebenslauf ersichtlich sein, dass man künstlerisch tätig ist und sich nicht nur als Musiker verdingt. In der Laudatio wurde gesagt, dass ich ein ausdrucksstarker Saxofonspieler sei, der sich in Köln engagiert.
Und gab es schon Konzertangebote aus der Philharmonie?
Nein. Viele klopfen einem anerkennend auf die Schulter, aber es ist nicht so, dass sich nun die Konzertveranstalter um einen reißen. Die Resonanz ist leider sehr gering. Es wird ein Preisträger-Konzert im Oktober geben. Um Auftrittsmöglichkeiten muss ich mich aber weiterhin selber kümmern.
Köln hat eine Musikhochschule und sieht sich gern als Jazzstadt. Müsste der Preis da nicht mehr bewirken für junge Musiker ?
Ja. Aber es gibt in Köln nur drei Auftrittsmöglichkeiten, darunter das Loft und den Stadtgarten – zu wenig für die vielen Musiker.
Was macht der Nachwuchs?
Der hat keine Chance. Bis auf die Sessions im Herbrands und ArTheater vielleicht. Zudem heißt die Devise im Loft „Pay to Play“. Denn der Betreiber Hans-Martin Müller, der sich sehr für den Jazz engagiert, muss ja irgendwie leben. Geld aus öffentlichen Mitteln bekommt er nicht.
Warum gibt es so wenige Spielstätten?
Erstens unterstützt die Stadt Köln die freie Musikszene überhaupt nicht. Zweitens machen es die Lärmschutzgesetze schwierig, Live-Musikkultur in den Kneipen zu fördern. Aber das würde die Stadt Köln nach meinem Wissen gern ändern. Nur sind das Landesgesetze. Notwendig wäre eine Strukturförderung. Es gibt wohl seit einigen Jahren einen Plan, der in einer Schublade vermodert.
Aber es gibt doch sowieso kein Geld.
Ich weiß nicht, ob es Deutschland so schlecht geht, wie es sich immer darstellt. Jede große Stadt in Deutschland sollte ihre Kultur fördern. Denn gerade das macht eine Stadt aus. In Köln gibt es ein großes Potenzial. Und weil das nicht gefördert wird, bekommt Köln musikalisch kein eigenes Gesicht. Deswegen wurde die Stadt bei der Bewerbung um die Kulturhauptstadt bestraft. Die Stadt Köln interessiert sich keinen Deut für die freie Szene.
Aber Sie haben doch einen Preis bekommen.
Dieser Preis stand bereits im vergangenen Jahr zur Diskussion. Immerhin werden für fünf Bereiche je 10.000 Euro ausgeschüttet. Es ist ein Wunder, dass es ihn noch gibt. Hier möchte ich das Kulturamt loben. Die tun alles, was in ihrer Macht steht – der OB hingegen hat keine Ahnung von Kultur.
Vielleicht wollen die Menschen keinen Jazz mehr?
Das glaube ich nicht. Jazz war und ist eine Nischenmusik. Aber man könnte sie viel besser verkaufen. Das liegt auch an den Musikern, die oft vergessen, dass sie für das Publikum spielen – und nicht nur für sich und die Kunst.
Wenn Kölns Jazz-Szene solch ein großes Potenzial hat, warum sind es oft nur Berliner Bands, die sich auch national hervortun?
Berlin hat natürlich den Hauptstadtbonus und wird deswegen aber auch leicht überschätzt. Es gab ja auch mal die große Abwanderungswelle Kölner Musiker nach Berlin. Aber es sind einige auch wieder zurück gekommen – weil das musikalische Niveau in Köln höher ist. Das Argument „nicht gut, weil altbacken“ lass ich nicht gelten. Denn auch traditionellen Jazz muss man erstmal gut spielen. In Deutschland ist die Erwartungshaltung sehr hoch und Kritik oft zu destruktiv. Interview: Ingo Petz