: Jobcenter machen Bezirken zu viel Arbeit
Zum 1. Januar 2005 kann voraussichtlich längst nicht jeder Bezirk an einem Ort Stützeempfänger aus einer Hand betreuen. Eine solche Einschätzung von Sozialsenatorin Heidi Knake-Werner (PDS) deckt sich mit Lageberichten aus den Bezirken
VON STEFAN ALBERTI UND RICHARD ROTHER
Neukölln: Im Bezirk mit der höchsten Arbeitslosenquote Berlins – 23,2 Prozent – sieht Vize-Bürgermeisterin Stefanie Vogelsang (CDU) keine Chance, dass sich Hartz IV zum 1. Januar wie geplant umsetzen lässt. „Daran glaubt doch schon keiner mehr. Es kann doch nur noch darum gehen, die Auszahlung des Arbeitslosengelds II zu sichern.“ Vogelsang vergleicht die Lage mit den Plänen für eine Autobahn-Maut: Gute Idee, schlechtes Handwerk. „Bloß geht es hier nicht um Vignetten, sondern um Menschen.“ Der Standort des geplanten Jobcenters sei noch unklar, auch die Zahl der dafür benötigten Mitarbeiter.
Charlottenburg-Wilmersdorf: Hier ist die Lage mit einer Arbeitslosenquote von 15,5 Prozent zwar vergleichsweise entspannt. Dennoch geht auch Bürgermeisterin Monika Thiemen (SPD) nicht von einem problemlosen Start von Hartz IV aus. „Zum 1. Januar geht es vor allem darum, dass die Leute ihr Geld kriegen. Beratung und Vermittlung werden da erst mal hintanstehen müssen.“ Im Jobcenter, dessen Ort zuletzt noch in der Diskussion war, sollen um die 130 Mitarbeiter arbeiten, die der Idee nach wie in anderen Bezirken halbe-halbe aus Sozialamt und Arbeitsagentur kommen.
Tempelhof-Schöneberg: Auch Stadtrat Gerhard Lawrentz (CDU) glaubt nicht, dass zum 1. Januar alles reibungslos läuft. „Mit Sicherheit nicht an einem Ort“ werde es dann Betreuung und Vermittlung geben. „Dafür kommen die Dinge zu spät für uns.“ Die Geldauszahlung müsse in jedem Fall pünktlich klappen. Für alles weitere werde noch eine Durststrecke zurückzulegen sein, weit ins Jahr 2005 hinein. Wo das Jobcenter mit geplanten 400 Mitarbeitern hin soll, ist noch offen. Die Arbeitsagentur suche, habe aber genauso wenig wie der Bezirk dafür ein Gebäude sofort zur Verfügung.
Treptow-Köpenick: Im Vergleich zu anderen Bezirken ist man im Südosten Berlins Meilen voraus. Als Vorläufer eines Jobcenters gibt es dort schon seit Anfang 2003 ein gemeinsames Büro von Sozialamt und Arbeitsagentur. Die Einschätzung von Vize-Sozialamtschef Manfred Busasch klingt daher deutlich anders als die aus anderen Bezirken: „Wir sind zuversichtlich, dass wir das zum 1. Januar hinkriegen.“ Stadträtin Eva Mendl (PDS) hält den Bezirk für geradezu prädestiniert für die Zusammenarbeit mit der Arbeitsagentur, die nach einer gestern vom Senat beschlossenen Rahmenvereinbarung in eine Arbeitsgemeinschaft münden soll. Im Jobcenter sollen rund 150 Mitarbeiter arbeiten.
Spandau: Ein Ort für das künftige Jobcenter steht im westlichsten Bezirk der Stadt noch nicht fest, sagt Sozialamtsleiter Thomas Fischer. Die grundlegenden Dinge seien noch nicht verhandelt – etwa woher die rund 300 Mitarbeiter kommen, die für das Jobcenter benötigt werden. Die Hartz-IV-Umsetzung sei bis Januar zu schaffen – „wenn die Software wie geplant am 4. Oktober zur Verfügung steht“. Das ganze werde schwierig genug, ob im Januar schon eine bessere Vermittlung mögliche sei, müsse man dann sehen.
Mitte: Glatter Start zum 1. Januar? „Das sieht noch gar nicht so aus“, sagt Bezirksbürgermeister Joachim Zeller (CDU) knapp. Die Klärung beginne jetzt erst. Ein Problem: „Der Bezirk hat keine Räume, die Bundesagentur auch nicht.“ Mieten würde aber sehr teuer werden. Ungeklärt sei auch noch die Personalausstattung des Jobcenters. Ob das klappt? „Wenn ich das wüsste, wäre ich Hellseher.“ Noch stehe nicht einmal die Software zur Verfügung. An eine bessere Vermittlung der Arbeitslosen durch Hartz IV glaubt Zeller nicht. „Wohin soll man die denn in Berlin vermitteln?“
Pankow: Auch in Pankow ist die Raumfrage noch ungeklärt, ist bei Sozialstadtrat Johannes Lehmann (SPD) zu hören. Möglicherweise werde eine dritte Anlaufstelle für Unter-25-Jährige eröffnet. Insgesamt brauche man 385 bis 400 Mitarbeiter, davon wolle die Arbeitsagentur rund 90, das Bezirksamt rund 130 zur Verfügung stellen. Wo die restlichen herkommen, sei unklar. Unbefriedigend sei, dass drei verschiedene Software-Systeme zum Einsatz kommen sollen. Aber Lehmann kann der Reform auch Positives abgewinnen: „Je mehr dem Einzelnen geholfen wird, desto größer die Chance, ihn in Arbeit zu vermitteln.“ Dies hätten Modellprojekte bewiesen. Dafür müsse die Arbeitsagentur aber ihre Verwaltungsmentalität ablegen.