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Archiv-Artikel

Brandstiftung kann sich lohnen

Billiges Holz für die Industrie aus Madrid HANS-GÜNTER KELLNER

In dem Wochenendhäuschen von Felip Fernández in den Bergen vor Barcelona sieht es aus, als gäbe es gleich den Nachtisch. Der Tisch ist gedeckt, Getränkeflaschen stehen darauf, an einer Stuhllehne hängt der lange Stoffbeutel, in dem so viele Spanier das Baguette aufbewahren. Die Stühle stehen ein wenig gedreht von dem Tisch, so als wären die Gäste gerade alle aufgestanden, könnten aber in jedem Moment wiederkehren.

Doch niemand wird wiederkommen. Felip Fernández, seine Schwester Elena, seine Frau Amàlia, seine Tochter Ester und seine Schwiegermutter Francesca starben, als sie am Sonntag nur kurz nach dem Abendessen vor dem Waldbrand flüchten, der um das katalanische Dörfchen Sant Llorenç Savall tobt. Ein tragischer Fall. Denn das Haus blieb von den Flammen verschont.

Der Waldbrand in der Provinz Barcelona ist der schlimmste in Spanien in diesem Jahr. Bisher sind hier 5.000 Hektar Wald verbrannt. Knapp 1.000 Menschen mussten zeitweise evakuiert werden. Mehrmals schien das Feuer abzuschwächen, doch starke Winde beleben die Flammen immer wieder neu. Das spanische Militär setzt schweres Gerät ein, mit dem eigentlich Schützengräben ausgehoben werden, mit dem sich aber ebenso gut Gräben gegen die Flammen graben lassen.

Ursprünglich hatte es sich um zwei unterschiedliche Brände gehandelt, die sich jetzt aber zu einer großen Feuersbrunst vereint haben. „Das ist jetzt ein Monster“, sagt einer der Feuerwehrmänner, ein anderer warnt: „Hier gibt es noch Feuer für mehrere Tage.“ Artur Mas, Chefminister der katalanischen Regionalregierung spricht von „Bedingungen wie in der Hölle: starker Wind, kaum Feuchtigkeit und starke Hitze“.

Zudem sind in der Region auch noch vier neue Feuer ausgebrochen. Nur wenige Kilometer nordwestlich der Urlauberorte Lloret de Mar und Blanes an der Costa Brava hat ein weiterer Brand knapp 450 Hektar vernichtet. Zeitweise mussten 2.900 Menschen evakuiert und die Mittelmeerautobahn A 7 gesperrt werden. Katalonien steht in Flammen, in ganz Spanien sind in diesem Jahr bereits mehr als 36.000 Hektar Wald verbrannt.

„Den Kopf ab“, fordert ein Mann in Sant Llorenç Savall für den mutmaßlichen Brandstifter des größten Feuers. In der Gegend zweifelt kaum jemand daran, dass die Brände absichtlich gelegt worden sind. Darauf deutet vor allem der Umstand hin, dass die Flammen an ursprünglich zwei Stellen zu lodern begannen. Und auch die Statistiken belegen dies. Die spanische Wochenzeitung La Estrella berichtete am Sonntag, 76 Prozent der Waldbrände in Spanien entstünden durch Menschenhand. 65 Prozent würden absichtlich gelegt, 11 Prozent durch Unachtsamkeiten wie weggeworfene Zigarettenkippen verursacht. Auf natürliche Einwirkungen, etwa Blitzeinschläge, gingen nur ganze 3 Prozent der spanischen Waldbrände zurück.

Zu Anklagen kommt es aufgrund der meist dürftigen Beweislage jedoch selten. Bei einem Feuer im andalusischen Naturschutzgebiet Cazorla 2001 wurde ein Verdächtiger mit Benzinkanistern im Auto gefasst, der an den Brandstellen gesehen worden war. Der mutmaßliche Brandstifter war selbst in der Brandverhütung beschäftigt.

Für Greenpeace ist die Beziehung zwischen Brandverhütung und Waldbränden keine Überraschung. Schließlich verdienten die damit beauftragten Unternehmen nur dann etwas, wenn es hin und wieder auch brenne, meinte ein Greenpeace-Sprecher nach dem Feuer in Cazorla.

Immer wieder wird auch die Holzindustrie beschuldigt, die Brände zu legen. Großflächige Rodungen gibt es in Spanien kaum noch, einer gesunden Forstwirtschaft entsprechend werden Bäume fast nur noch gezielt gefällt. Sägewerke und Forstarbeiter haben so immer weniger zu tun. Nach einem Waldbrand werden jedoch sämtliche Bäume, deren Stämme ja nicht vollständig verbrennen, gerodet. So gestanden 1998 auch zwei Beschäftigte eines Sägewerks 1998, absichtlich gezündelt zu haben. Damals verbrannten 27.000 Hektar. Das Geschäft mit Baugrund spielt dagegen in Spanien bei Bränden keine große Rolle. In den meisten Regionen verbieten die Gesetze die Bebauung verbrannter Waldgebiete für Jahrzehnte und schreiben eine Aufforstung vor.

Umweltschützer bescheinigen der spanischen Regierung zwar enorme Anstrengungen zur Brandbekämpfung, werfen ihr aber vor, zu wenig für die Vorbeugung zu tun. Sie stützen sich dabei auf Statistiken, nach denen die verbrannte Fläche in Spanien seit Jahrzehnten stark abnimmt, die Zahl der Feuer jedoch zu. So verbrannten 1978 noch 440.000 Hektar, im vergangenen Jahr waren es 100.000. Im gleichen Zeitraum hat die Zahl der Brände jedoch von 8.471 auf 19.929 zugenommen.

Am Waldbrand verdient die Mafia aus Rom MICHAEL BRAUN

Piemont, Kalabrien, Latium und die Toskana, Umbrien, Ligurien, Sardinien, Sizilien – so gut wie alle italienischen Regionen waren in den letzten Tagen und Wochen von Waldbränden betroffen. In trauriger Monotonie wiederholen die Schadensberichte das immer Gleiche. An zwei, drei oder vier Stellen zugleich bricht das Feuer aus, offensichtlich vorsätzlich gelegt; dank der großen Hitze kann es sich schnell verbreiten; trotz des schnellen Einsatzes von Löschflugzeugen und Hubschraubern fallen binnen weniger Stunden mal 20, mal 300 Hektar Wald oder macchia mediterranea den Flammen zum Opfer. Allein in diesem Jahr summiert sich die in Italien abgefackelte Fläche auf 43.000 Hektar.

Fast unmöglich ist es jedoch, eine Typologie der betroffenen Orte zu erstellen. Die Feuer lodern in reizvollen – und deshalb für Spekulanten interessanten – Tourismusgegenden wie der ligurischen Küste, der Costa Amalfitana oder der sardischen Costa Smeralda genauso wie in abgelegenen Zonen des süditalienischen oder sardischen Binnenlandes. In den letzten Tagen gingen der Polizei diverse Brandstifter ins Netz; doch nur selten lag der Fall so klar wie bei jenem sechzehnjährigen Jungen, der in der Nordtoskana gezündelt hatte, „um die Aufmerksamkeit meiner Eltern zu gewinnen“.

Der Rentner dagegen, der sich südlich von Rom nach getanem Brandstifterwerk erwischen ließ und mit „Spaß am Feuer“ rausreden wollte, stieß auf den Unglauben der Polizei, die in der Hosentasche des Täters 1.000 Euro in bar fand und deshalb von einer Auftragstat ausgeht.

Brandstiftung im Dienst des organisierten Verbrechens vermutet auch der nationale Antimafia-Staatsanwalt Pierluigi Vigna. Es sei deshalb an der Zeit, seinen Ermittlern die Zuständigkeit für alle Untersuchungen auf diesem Feld zu übertragen. Systematische und koordinierte Untersuchungen wären ein absolutes Novum. Bisher gibt sich die Öffentlichkeit meist mit Vermutungen zufrieden, eindeutige Erkenntnisse gibt es nicht. Dabei weisen die italienischen Umweltverbände seit Jahren darauf hin, dass hinter den Bränden Grundstücksspekulanten stecken könnten. Die Regierung dagegen verweist auf ein seit 2000 geltendes Gesetz, das vorschreibt, dass auf abgebrannten Flächen mindestens zehn Jahre lang nicht gebaut werden darf.

Dieses Gesetz greift aber schon deshalb nicht, weil nur wenige Kommunen überhaupt einen Plan der abgefackelten Areale erstellen. Andere geben nach einem Brand, der zum Beispiel 13 Hektar Vegetation vernichtet hat, nur elf als brandgeschädigt an. Die Folge liegt auf der Hand: Auf den restlichen zwei Hektar können Bagger und Betonmischer sofort anrücken.

Grundstücksspekulation erklärt freilich noch nicht, warum auch in den verlassenen Gegenden von Sardinien oder Kalabrien alle Jahre wieder die Flammen hochschlagen. Auch in diesem Sommer wurden direkt am Tatort Schäfer aufgegriffen, die offenbar mit Feuerzeug und Benzinkanister neuen Weidegrund für ihre Herden schaffen wollten.

Einleuchtender erscheint aber die Vermutung, die Brände selbst seien oft genug das Geschäft: Erst müssen Italiens Regionen Sommer für Sommer tausende Saisonarbeiter für die Brandbekämpfung anheuern, dann brauchen sie Personal und Material für die Wiederaufforstung. Mit beidem kann in Süditalien oft genug die Mafia dienen, die den Arbeitsmarkt genauso wie die staatliche Auftragsvergabe an Unternehmen kontrolliert.

Gutes Geschäft für Löschfirmen von KATHARINA KORELL

Helder Spínola kommt in diesem Tagen nicht zur Ruhe. In Portugal wüten Waldbrände nie da gewesenen Ausmaßes und rufen die Naturschützer auf den Plan. Spínola ist Präsident der Naturschutzorganisation Quercus. Er fährt von Meeting zu Meeting, organisiert Gespräche mit Politikern. Sein Ziel ist, zu retten, was es noch zu retten gibt.

Bisher sind in Potugal seit Ende Juli 215.000 Hektar Waldgebiet verbrannt. Eine Fläche, so groß wie Luxemburg. 16 Personen kamen in den Flammen ums Leben, 85 Familien wurden obdachlos. Die Menschen fliehen vor den Flammen in die Küstengebiete, wo es keine Wälder gibt. „Eine wahre Landflucht ist in Gang gekommen“, erklärt Spínola. In den Bergen von Monchique, im Hinterland der Algarve, lodern die Brände bedrohlich weiter. Viele Touristen übernachten auf ihren Terrassen, beobachten das Feuer ängstlich. Bisher konnten weder die 345 Feuerwehrleute noch die 90 Soldaten die Kontrolle über die Katastrophe gewinnen.

Für Portugals Wirtschaft könnte die Zerstörung der Wälder der Ruin sein. 83 Prozent des Landes sind bewaldet; Monokulturen wie Pinien- und Eukalyptuswälder machen den größten Anteil dieser Wälder aus. Holz ist der Hauptexportartikel des Landes am Rand der Iberischen Halbinsel. Rund 74.000 Arbeitsplätze hängen mit der Holzproduktion zusammen. Sie alle sind in akuter Gefahr. Vor wenigen Tagen nannte der portugiesische Regierungschef Durao Barroso kriminelle Brandstiftung als Hauptursache der Feuersbrünste. Die Polizei ermittelt auf Hochtouren: 50 mutmaßliche Brandstifter werden derzeit verhört.

Auch Pedro Cabrita ist bei dem Versuch, die eigenen vier Wände zu retten, Zeuge eines alamierenden Vorfalls geworden: Sein Restaurant „O Gasolinas“ liegt in Silves, einem Ort im Hinterland der touristischen Algarve. „Das Feuer entflammte wenige Meter hinter meinem Haus. Danach raste ein Fiat Punto mit zwei Männern vorbei“, berichtet der Mann erzürnt. „Das war Brandstiftung!“

Verdächtigungen, wie die von Pedro Cabrita heizen die Gemüter der Betroffenen an. Doch Umweltschützer suchen den schwarzen Peter nicht allein bei einigen kriminellen Feuerteufeln: „Die Löscharbeiten liegen in den Händen privater Firmen. Sie könnten Interesse an den Bränden haben. Dennoch ist in 39 Prozent aller Fälle die Unachtsamkeit der Leute an den Bränden schuld“, meint Joaquín Silva, Dozent für Waldbrandschutz an der politechnischen Hochschule in Coimbra. „Die Leute grillen mitten im Wald und werfen ihre Zigaretten weg. Es hilft nichts, einen Sündenbock zu suchen, wenn sich das Bewusstsein der Bevölkerung nicht ändert.“

Und noch ein anderes, seit Jahrzehnten missachtetes Versäumnis kommt durch die Brandkatastrophe in den portugiesischen Wäldern ans Licht: In den Monokulturen breiten sich Feuer viel schneller aus. Sie werden nicht mehr durch feuchtere Baumtypen wie die Korkeiche gestoppt. Seit Plastipfropfen in der Weinflasche den guten alten Korken verdrängen, gibt es immer weniger wirtschaftliche Gründe, die Korkeiche zu erhalten. „Als die heimischen Bäume noch die Wälder durchmischten, konnten sich die Brände überhaupt nicht in dem Maß ausbreiten. Wir werden nun eine Kommission bilden, die über einen zukünftigen Bepflanzungsplan unserer Wälder entscheiden soll“, erklärt Helder Spínola. „Jetzt müssen wir die Jahrtausende alte Vegetation Portugals neu erschaffen.“