: Grundrechte untergeordnet
Betr.: „Doktor im Plan“, taz hamburg v. 21. 7.
Es gibt eigentlich keinen sachlichen Grund dafür, dem russischen Staatspräsidenten Vladimir Putin die Ehrendoktorwürde der Universität Hamburg zu verleihen. Das Argument, er habe von 1994–96 in der Region um St. Petersburg umfassende Reformen auf den Weg zur Marktwirtschaft eingeleitet, erscheint mehr als dürftig. Manch ein Unterstaatssekretär hier wie dort hat auf diesem Gebiet sicherlich mehr vorzuweisen. Ganz zu schweigen von den sozialen Folgen, die der Reformprozess für weite Teile der Bevölkerung bewirkt hat.
Wenn keine höheren politischen Interessen hinter der Verleihung stehen, was zu bezweifeln ist, können sich zumindest hiesige „Marktwirtschaftler“, die sonst nur ein mehr oder weniger unscheinbares Dasein fristen, mal richtig dicke tun. Von moralischen Überzeugungen aber keine Spur. Die Ernennung ist ein Zeichen dafür, wie der Ökonomisierung von Staat und Gesellschaft alle uns noch so selbstverständlich erscheinenden Grundrechte untergeordnet werden.
In früheren Jahren wäre es geradezu undenkbar gewesen, Staatsoberhäupter dieser Couleur mit solch hohen Ehren auszustatten. Vielleicht sollte man für den Staatspräsidenten und vor allem für das anwesende Publikum während der Festveranstaltung eine aktuelle Ausgabe der Europäischen Menschenrechtskonvention und Alexander und Margarete Mitscherlichs „Die Unfähigkeit zu trauern: Grundlagen kollektiven Verhaltens“ als Geschenke verteilen. Hergen Hillen