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Archiv-Artikel

Spezialabteilung für den Rapport

Ausländerbehörde verschärft massiv ihre Repressalien gegen jugendliche Flüchtlinge. Sozialarbeiter sehen darin einen weiteren Schritt zur bewussten Kriminalisierung der Jugendlichen, um ihre Abschiebung zu erleichtern

von KAI VON APPEN

Die politische Vorgabe der Innenbehörde ist klar: Sie sollen schnell wieder verschwinden – notfalls durch Schikane und Willkür. Die Ausländerbehörde hat jetzt im Erdgeschoss ihres Amtssitzes an der Amsinckstraße eigens eine Abteilung für jugendliche Flüchtlinge eingerichtet, wo diese sich täglich einfinden müssen, um den Stempel für ihre Duldung und Sozialhilfe zu bekommen. „Das sind jugendliche Erwachsene, deren Staatsangehörigkeit ungeklärt ist“, rechtfertigt Ausländerbehördensprecherin Ulrike Nehlf-Golla diese Maßnahme: „Wenn sie mitwirken, bekommen sie auch eine längere Duldung.“

Dabei spricht Nehlf-Golla zurzeit von acht bis zehn Fällen. Mitarbeiter der Flüchtlingsbetreuungs-Organisationen gehen von weit höheren Zahlen aus, die mit dieser Maßnahme überzogen werden. Und es handele sich meist um unbegleitete minderjährige Flüchtlinge, die einem besonderen Schutz unterliegen. Doch Sachbearbeiter machten sie einfach – trotz mehrfacher Rüge durch das Verwaltungsgericht – mit willkürlich festgelegten Geburtsdaten älter, damit sie nicht in Hamburg in einer Jugendwohnung untergebracht werden müssen, sondern in ein anderes Bundesland umverteilt werden können.

Während früher auf den Flüchtlingsschiff Bibby Altona zumindest noch Berechtigungsscheine für eine ärztliche Untersuchung zur Feststellung des tatsächlichen Alters ausgegeben wurden, müssten die Jugendlichen heutzutage in die Rechtsmedizin der Uniklinik Eppendorf, ihr Alter schätzen zu lassen, wenn sie gegen die Taxierung vorgehen wollen. Den Betrag von 150 Euro müssen sie selbst löhnen – wohlwissend, dass dem Chef der Rechtsmedizin, Klaus Püschel, vorgeworfen wird, behördliche Gefälligkeitsgutachten auszustellen.

Für den afrikanischen Sozialarbeiter Kinovuidi Manzambi vom Internationalen Bund sind all diese Maßnahmen ein Mittel zur Kriminalisierung der Jugendlichen. „Die Ausländerbehörde zwingt die Jugendlichen geradezu, etwas Illegales zu machen. Woher sollen sie sonst das Geld für die Untersuchung nehmen?“ Versäumt ein Jugendlicher einen morgendlichen Rapport-Termin, ist ein Bußgeld von 37 bis zu 50 Euro fällig. Es sei daher nicht verwunderlich, so Manzambi, dass Jugendliche ins Visier von Dealerringen kommen oder Mädchen zur Prostitution animiert würden.

Wenn ein Jugendlicher von der Polizei ohne abgestempelte Papiere angetroffen wird, gelte er als illegal, so Manzambi: „Er wird festgenommen und kommt in Haft. Viele Afrikaner sind von der Straße verschwunden, wir wissen aber nicht, wie viele in Haft sitzen.“

Ähnliches berichtet auch Conny Gußner vom Betreuungsverein Woge e. V.: „Die Zahl jugendlichen Häftlinge aus Afrika ist im Jugendknast Hahnöfersand drastisch angestiegen.“ Einem Klienten von ihr sei unvermittelt bei einem Rapport in der Abteilung der Ausländerbehörde das Handy entrissen worden, um Telefonnummern zu kontrollieren. Da sich unter einer Nummer eine Person aus einem Staat meldete, aus dem es kein Asyl gibt, wurde der Junge in den Abschiebeknast Glasmoor gebracht. Ein anderer von der Behörde hochtaxierter Jugendlicher ist vom Bundesamt in Lübeck als weit unter 16 Jahren eingestuft worden. Gußner: „Das interressiert die Hamburger Behörde kein Stück, hier wird er weiterhin als über 16 eingestuft.“