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Archiv-Artikel

Traurig oder perfide?

Gestern verurteilte das Amtsgericht einen Mann, der seine kranke Freundin nicht ins Krankenhaus gebracht hatte

Von eib

Bremen taz ■ Was tun, wenn die Lebenspartnerin schwer krank ist, eine ärztliche Behandlung aber ablehnt? Peter F. entschied sich, gar nichts zu tun. Oder besser, nichts für sie, sondern nur für sich. Während seine zwei Jahre ältere alkoholsüchtige Lebensgefährtin Magdalene T. in ihrem Haus in Oslebshausen schwächer und schwächer wurde, versetzte er Anfang 2002 ihren Schmuck und bestellte auf ihren Namen ein Abonnement des Fernsehsenders Premiere. Außerdem soll er das Telefon abgestellt haben, damit sie keine Hilfe holen konnte. Wegen Betrugs, Urkundenfälschung und Aussetzung – ein besonders schwerer Fall von unterlassener Hilfeleistung – wurde er deswegen gestern zu einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung rechtskräftig verurteilt.

Vor Gericht räumte der 1946 geborene Sozialhilfeempfänger seine Fehler ein. „Ich hätte sie gegen ihren Willen ins Krankenhaus bringen sollen.“ Der Grund für Magdalene T.‘s Widerstand: Sie war nicht krankenversichert und fürchtete die hohen Arztrechnungen. Der wegen Betrug mehrfach vorbestrafte Peter F. gab auch zu, ihre Unterschrift gefälscht und Magdalene T.‘s Geld „verlebt“ zu haben, wie er sich ausdrückte. Er habe seine Ex, die er erst ein halbes Jahr zuvor kennen gelernt hatte, aber nicht absichtlich verkommen lassen, sagte Peter F.. Im Gegenteil, er habe sich um sie gekümmert. Schließlich habe er täglich versucht, ihr etwas zu essen und zu trinken einzuflößen, sie gewaschen und zur Toilette gebracht. Das Telefon habe er ihr auf eigenen Wunsch abgestellt. „Sie wollte niemand sehen oder hören.“

Der Richter erkannte an, dass Peter F. schon zu einem früheren Zeitpunkt einen Arzt geholt und sie anschließend überredet hatte, ins Krankenhaus zu gehen, wo sie allerdings nach 14 Tagen entlassen wurde – mit einem Operationstermin vier Wochen später -und der Auflage an Peter F., für sie zu sorgen. Doch trotz Tabletten kam die schwer kranke Frau nicht wieder auf die Füße, ihr Zustand verschlechterte sich, ohne dass Peter F. noch einmal einschritt. So wurde sie, nachdem eine Bekannte die Polizei alarmiert hatte, ein zweites Mal ins Krankenhaus gebracht: ausgetrocknet, mit einer Lungenentzündung und einem schweren Harnwegsinfekt. „Sie hätte sterben können“, so der Richter.

Magdalene T. hat überlebt und ihr Haus verkauft. Jetzt wohnt sie in einer betreuten Einrichtung. Zu der Verhandlung war sie trotz Aufforderung nicht erschienen. Aber auch, wenn sie ausgesagt hätte, wäre wohl nicht klar gewesen, ob es sich um eine traurig beendete Beziehung oder einen perfiden Betrug gehandelt habe, sagte Richter Kornblum. „Die Frage bleibt, ob Peter F. die Situation einfach nur genutzt oder ob er sie erst geschaffen hat.“ eib