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Archiv-Artikel

Nur schwer vermittelbar

Die Entlassungswellen bei Banken rollen weiter. Tausende Banker suchen vergeblich nach Arbeit

aus Frankfurt am Main KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

Sabine Keller (Name geändert, die Red.) ist Bankerin aus Leidenschaft. „Ich war oft bis zu fünfzehn Stunden am Tag im Job. Und meistens hab ich gar nicht gemerkt, wie die Zeit verging“, sagt die 36 Jahre alte ledige Bankkauffrau, die zuletzt bei der – früher – renommierten Gontard & Metallbank in Frankfurt am Main arbeitete. Im „Rotstiftviertel“ also, wie eine Lokalzeitung das Bankenviertel, das sich an das „Rotlichtviertel“ der Mainmetropole anschließt, vor wenigen Tagen süffisant nannte. Sabine Keller prüfte bei der Gontard & Metallbank die Bonität von Unternehmen. Doch dann machte ihre Bank Pleite.

Knapp 500 Bankangestellte wurden 2002 „freigesetzt“; einige wenige durften noch bleiben – zur Abwicklung der Bank. Für alle anderen hieß es: Destination Arbeitsamt. Dort drängeln sich inzwischen die „Banker“. Doch es sind nicht in erster Linie die Bankpleiten, wie zuletzt die der Hornblower Fischer Privatbank, die den Arbeitsämtern überall im Rhein-Main-Gebiet ein „Riesenproblem“ bescheren, wie der Sprecher des Frankfurter Arbeitsamtes, Uwe Skottke, gestern der taz sagte. Vor allem wegen der Entlassungswellen bei den Großbanken kämen tausende von arbeitslosen Bankangestellten – alles Spezialisten – in die langen Flure der Arbeitsämter.

Alleine beim Branchenleader Deutsche Bank verloren 2002 rund 10.000 Beschäftige ihren Job. Die Commerzbank will sich in diesem Jahr von 3.000 Mitarbeitern trennen. Und die Dresdner Bank, die schon im Frühjahr ankündigte, 11.000 Stellen zu streichen, verkündete in der vergangenen Woche, bis 2005 weitere 4.700 Mitarbeiter entlassen zu wollen. Rund 1 Milliarde Euro könnten so noch zusätzlich eingespart werden. Danach werde die Bank wieder „schwarze Zahlen“ schreiben und der Konzernmutter Allianz nicht mehr auf der Tasche liegen, frohlockte Vorstandsboss Herbert Walter.

„Banker“ gelten inzwischen als „schwer vermittelbar“, so Arbeitsamtssprecher Skottke. Nicht nur, dass es bei allen Banken sowieso fast keine offenen Stellen gibt; auch in verwandten Branchen, wie etwa dem Versicherungswesen, sehe es „zappenduster“ aus. Der Sprecher des Landesarbeitsamtes Hessen, Karl Borsig, sieht schon einen negativen Trend, der die gesamte Dienstleistungsbranche erfasst habe, etwa auch die Werbeagenturen. Die arbeitslos gewordenen Bankangestellten stellten allerdings hessenweit „das größte Problem“ dar, sagt Borsig. Mehr als 2.000 sind in Hessen aktuell registriert; knapp 1.000 alleine beim Frankfurter Arbeitsamt.

Offene Stellen bei den Banken und auch in verwandten Branchen gibt es hessenweit dagegen gerade noch 288. Die schon arbeitslosen und die demnächst arbeitslos werdenden „Banker“ müssten sich auf branchenfremde und auch schlechter bezahlte Jobs einstellen, so Uwe Skottke vom Frankfurter Arbeitsamt.

Sabine Keller hat sich schon „darauf eingestellt“. Sie bewirbt sich seit Herbst 2002 pausenlos um einen Arbeitsplatz auch in anderen Branchen. Einen Job als Sachbearbeiterin in der Buchhaltung eines Automobilbauunternehmens hätte die ehemalige Abteilungsleiterin sofort angenommen. Doch dafür sei sie „überqualifiziert“, hieß es im Ablehnungsbescheid. Richtig zornig wird Keller, die „immer Grün gewählt“ hat, wenn sie die „Sprüche der Politiker der Regierungskoalition in Berlin im Fernsehen“ hört. Arbeitslose müssten bereit sein, schlechter bezahlte Jobs anzunehmen, sonst würde ihnen die Unterstützung zusammengestrichen. Das sei doch ein „schlechter Witz“: Sie sei schon lange genau dazu bereit.

Und wie weiter? „Wenn jetzt noch die 5.000 Entlassenen von der Dresdner auf den leer gefegten Arbeitsmarkt drängen und die von der Deutschen Bank, dann gehe ich eben zu Aldi an die Kasse“, sagt Sabine Keller.