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Archiv-Artikel

Generation Kurzzeit-Job

Studienabgänger haben kaum mehr Chancen auf unbefristete Stellen. Betroffen sind Architekten, Hochschullehrer oder Medienberufe. Gewerkschaft beobachtet in Firmen „Tagelöhnermentalität“

VON JULIANE GRINGER

Ein unbefristeter Job mit allen Sozialleistungen statt Einjahresvertrags, Minijobs oder freier Mitarbeit: Für Berufsanfänger, die sich das wünschen, ist die Lage fast aussichtslos, vor allem in Berlin. Die ohnehin rar gesäten Stellenanzeigen bieten immer mehr der „lockeren“ Jobs an – mit weniger Sicherheit für die Arbeitnehmer und mehr Freiheit für die Arbeitgeber. Arbeitsmarktforscher Günther Schmid vom Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB): „Diesen Trend beobachten wir seit längerer Zeit. Er betrifft vor allem Studienabgänger.“

Betroffen sind Jungakademiker in vielen Bereichen. Gestückelte Lebensläufe sind längst nicht mehr nur in Medienberufen, sondern bei Architekten, Unternehmensberatern, bei Lehrkräften im Hochschulbereich, an Musikschulen und in Weiterbildungsinstituten die Regel.

„Das Normalarbeitsverhältnis ist in Deutschland nach wie vor das bedeutsamste, in Berlin gab es in diesem Bereich aber seit Anfang der 90er einen dramatischen Einbruch“, sagen Heidi und Frank Oschmiansky. Die WZB-Mitarbeiter haben die so genannten atypischen Erwerbsformen in einer wissenschaftlichen Arbeit untersucht. Darin kommen sie sogar zu dem Schluss, dass die Chancen auf einen festen Job schwinden, je mehr solcher Arbeitsverhältnisse im Lebenslauf stehen.

„Die Situation ist wirklich furchtbar“, meint Katja Karger, Projektmanagerin bei connex.av, einem Ver.di-Projekt für audiovisuelle Medien. Seit gut einem Jahr gebe es in der Medienbranche kaum noch normale Arbeitsverträge. „In der Filmbranche ist es ganz schlimm, dort herrscht geradezu eine Tagelöhnermentalität“, so Karger.

Laut Mikrozensus hatten im Mai 2003 13,5 Prozent der abhängig Erwerbstätigen in Berlin einen befristeten Arbeitsvertrag. Das neue Teilzeit- und Befristungsgesetz von 2001 macht Unternehmen flexibler und Arbeitnehmer „zeitsouveräner“. Laut Oschmianskys Studie werden jedoch gerade Ich-AG und Co Normalarbeitsverhältnisse weiter splitten und verdrängen und zu vermehrter Scheinselbstständigkeit führen. Das glaubt auch Katja Karger: „Die Arbeitgeber leisten es sich immer öfter, einen Großteil ihres Personals flexibel einzustellen und wieder zu entlassen.“ Gerade bei der Ich-AG gebe es da oft Probleme. „Da werden Bewerber vor die Wahl gestellt. Weil für Festanstellung kein Geld da sei, sollen sie sich selbstständig machen.“

Befristete Verträge würden immer mehr zum Standard, auch in der Hauptstadt. „Da gibt es den so genannten Bedarfsbeschäftigten oder auch Beschäftigten auf Abruf, der kaum noch Rechte hat“, erklärt Karger. Den Medienbereich trifft es besonders hart. „Verträge werden gern schon mal auch nur für ein halbes Jahr abgeschlossen, oder der Einjahresvertrag wird als verlängerte Probezeit gehandhabt.“

Dabei hätte der Arbeitgeber eigentlich auch bei einem festen Anstellungsverhältnis „jederzeit die Möglichkeit der Kündigung“, so Karger. „Und für einen Arbeitgeber bringt der häufige Personalwechsel auch negative Seiten mit sich.“ Neue Mitarbeiter brauchten schließlich immer eine gewisse Einarbeitungszeit. Die unsicheren Arbeitsbedingungen haben für die Arbeitgeber trotzdem klare Vorteile: Sie können flexibel auf Nachfrageschwankungen reagieren, Beschäftigungsrisiken abwälzen und Kosten senken.