Im Irak ist niemand mehr sicher

Statt westlicher Ausländer werden immer mehr Menschen aus anderen Ländern entführt. Ziel ist dabei häufig nicht die Erpressung von Staaten, sondern von privaten Firmen. In der arabischen Welt gilt das nicht mehr als „legitimer Widerstand“

VON KARIM EL-GAWHARY

Der Kreis der ausländischen Entführungsopfer im Irak wird immer größer. Hatten sich die Geiselnehmer anfangs nur auf Ausländer verlegt, die aus den Ländern der dort stationierten Truppen stammen, bringen sie nun zunehmend auch Menschen aus islamischen und arabischen Ländern in ihre Gewalt. Neuestes prominentes Opfer: der ägyptische Diplomat Mohammed Mamduh Hilmi. Der dritte Mann der ägyptischen diplomatischen Vertretung in Bagdad war auf dem Weg vom Freitagsgebet nach Haue verschleppt worden und tauchte kurze Zeit später in einem der arabischen Fernsehstation al-Dschasira zugespielten Videoband wieder auf.

Ein Gruppe namens „Löwen Gottes und Löwen der islamischen Brigaden“ erklärten, dass die Entführung eine Antwort auf eine Aussage des ägyptischen Ministerpräsidenten sei. Er hatte vergangenen Mittwoch bei einem Besuch seines irakischen Amtskollegen in Kairo angeboten, dass sich Ägypten an der Ausbildung irakischer Polizisten beteiligen könnte. Die ägyptische Regierung hat seit der Entführung nachdrücklich erklärt, es gebe keinerlei Pläne, Truppen in den Irak zu entsenden.

Unterdessen verschärfte sich die Lage der sieben entführten Lastwagenfahrer indischer, ägyptischer und kenianischer Nationalität. Eine Gruppe mit dem Namen „Schwarzer Banner“, deren Ultimatum am gestrigen Sonntag auslief, drohte damit, eine Geisel nach der anderen zu köpfen, bis deren kuwaitischer Arbeitgeber seine Tätigkeiten im Irak einstellt. Außerdem forderten sie von der Firma, dass diese Gelder an die Familien der Opfer der US-Besatzung in Falludscha bezahlt.

Die irakische Regierung appelliert immer wieder, nicht auf die Forderungen der Entführer einzugehen. „Terroristen gegenüber sollte nie nachgegeben werden“, sagte der irakische Ministerpräsident Ajad Allawi am Wochenende. Gleichzeitig drückte er erneut seine Enttäuschung darüber aus, dass die philippinische Regierung ihre 51 Mann starke Truppe vorzeitig aus dem Irak abgezogen hat, um einen philippinischen Lastwagenfahrer frei zu bekommen.

Zwischen militanten islamistischen Entführern und kriminellen Banden scheint es eine florierende Zusammenarbeit zu geben. Es mehren sich die Fälle, in denen Menschen ursprünglich von Straßenräubern verschleppt und dann an die Militanten weiterverkauft werden.

Zwar mögen die Kidnapper am Ende die eine oder andere Forderung durchsetzen. In den arabischen Ländern verspielen sich die dort ursprünglich als „legitimer Widerstand gegen eine Besatzung“ angesehenen Guerillas allerdings unzählige Sympathien. Die ägyptische Presse regierte ungehalten über die Entführung des Diplomaten. „Damit ist deutlich geworden, wie bankrott die Entführer sind, wenn sie auf eine derartige Taktik zurückgreifen müssen“, heißt es beispielsweise in der Tageszeitung al-Ahram.