Kultusministerin in Nöten

Lehrermangel in Niedersachsen: Mindestens 1.500 Pädagogen fehlen. Während Ministerin Elisabeth Heister-Neumann am Rettungskonzept bastelt, wird die Kritik aus den eigenen Reihen immer lauter

VON KAI SCHÖNEBERG

Der Druck wächst täglich. Als „unschönen Stil“ werten es Schwergewichte in der Niedersachsen-CDU, dass Elisabeth Heister-Neumann wenige Tage vor der Kabinettsklausur in der kommenden Woche den Fehlbedarf in ihrem Haus auf mindestens 1.500 Lehrer taxiert hat. „Öffentlich so auf die Tränendrüse zu drücken“, sagt ein CDU-Grande, „gehört sich nicht gegenüber den anderen Kabinettsmitgliedern“.

Die Luft wird immer dünner für Heister-Neumann. Seit sie vor einem Jahr auf Druck von Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) vom Justiz- ins Kultusressort wechselte, hat sie wenig Fortune gehabt: 11.000 Lehrer demonstrierten im Sommer gegen den Plan der studierten Juristin, die Arbeitszeitkonten vorerst nicht abbauen zu lassen. Genau das aber war den Pädagogen vor zehn Jahren versprochen worden. Der Protest hatte Erfolg: Nun können die Lehrer, die seit 1998 Überstunden gesammelt haben, diese entweder abbummeln oder sich auszahlen lassen.

Derzeit wandelt sich diese Regelung für Heister-Neumann zum Bumerang: Vor allem an den Gymnasien drohen im kommenden Schuljahr massive Stundenausfälle. Insgesamt 14.000 Lehrkräfte haben für 2009 die Rückgabe der Überstunden beantragt, sagt die Lehrergewerkschaft GEW. Darunter auch viele Pädagogen in den Mangelfächern wie Mathematik, Latein oder Physik. Gleichzeitig wählten viele Grundschullehrer die Begleichung der Überstunden durch Geld.

Das bildungspolitische Dilemma wird noch größer, weil die Eltern vor allem in den Städten sich gegen die Hauptschulen entscheiden. Künftig sollen diese deshalb stärker mit den Realschulen kooperieren – ohne das Label Hauptschule samt Abschluss zu verlieren. Und ohne sich in eine unliebsame Gesamtschuldebatte zu verstricken.

Als Lösung muss Geld in die Hand genommen werden: Bis zu 60 Millionen Euro könnten für neue Lehrer aus dem Konjunkturpaket II des Bundes bezahlt – und Teilzeit-Lehrer damit zu längerer Arbeit gedrängt werden. Zudem ist offenbar geplant, dass Grundschullehrer auch in den 5. und 6. Klassen von Gymnasien unterrichten sollen.

Noch ist das jedoch alles Spekulation. Erst in der kommenden Woche soll Heister-Neumann bei der Kabinettsklausur in Hannover eine Lösung präsentieren. Von einem „Befreiungsschlag“ ist die Rede. Als weiteren Problemfall in seinem Kabinett hat Ministerpräsident Christian Wulff auch noch Wissenschaftsressortchef Lutz Stratmann (CDU) zum Rapport aufgefordert. Zudem soll der gestern vereidigten Novize im Wirtschaftsministerium, Phillip Rösler (FDP), seine Pläne skizzieren.

Wie sehr Wulff seine Regierung beim Thema Lehrerknappheit mit dem Rücken zur Wand sieht, machte er am Dienstag in einer CDU-Fraktionssitzung deutlich. Fünf Minuten lang redete sich Wulff zum Thema Lehrermangel in Rage – die Ressortchefin war nicht zugegen. Verdutzt registrierten CDU-Parlamentarier auch, dass die Ministerialen im Haus von Heister-Neumann offenbar noch keinen Arbeitsauftrag haben, das Paket zu schnüren.

Der Grund: Offenbar misstraut die Ministerin ihren eigenen Mitarbeitern. In der Führungsspitze des Hauses hat man Angst, dass die Pläne zu früh durchsickern und so zerredet werden könnten. Ohnehin werde hier nur noch „Dienst nach Vorschrift“ gemacht, lassen Insider durchblicken. Gleichzeitig rügen sie die Personalpolitik der Chefin: Heister-Neumann werkele isoliert in einem sie beratenden „Girls Camp“ vor sich hin, Staatssekretär Peter Uhlig habe das Ministerium nicht im Griff.