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Archiv-Artikel

Bio an Bord

Kein Zuckerlecken: In den Bordrestaurants der Deutschen Bahn gibt es seit Anfang Februar Biogerichte von deutschen Spitzenköchen. Welche Hürden bei der ökologischen Massenproduktion genommen werden müssen

Es gibt kein Biokaninchen – Worst-case-Szenario für die gastronomischen Planer der Deutschen Bahn. Nur noch gut zwei Wochen bleiben, bis in allen 540 Bordrestaurants der ICEs das Biomenü von Sternekoch Oliver Heilmeyer aus dem Brandenburgischen Restaurant „17 fuffzig“ den Startschuss für die Aktion „natürlich genießen“ geben soll – eines der beiden Hauptgerichte: Kaninchenrücken mit Kürbiskartoffeln.

In 15 Tagen muss nun ein neues Gericht entwickelt, müssen alle Zutaten in Bioqualität bestellt, muss das Rezept nachgekocht, verkostet und für die Bordrestaurants der Bahn produziert werden. Die Zeit ist knapp! Eilig wird telefoniert. Noch in der Nacht ist klar: Statt Kaninchenrücken gibt es gefüllte Kalbfleischröllchen. So hektisch kann Bio sein!

18.000 Eintöpfe im Monat

Jedenfalls wenn monatlich ca. 7.000 Hauptgänge und 18.000 Eintopfgerichte in zertifizierter Bioqualität die Küchen der ICE-Bordrestaurants verlassen müssen. Denn seit dem 1. Februar serviert die Deutsche Bahn auf allen ICE-Strecken in Deutschland Menüs von vornehmlich mit ein oder zwei Sternen ausgezeichneten Köchen aus verschiedenen ländlichen Regionen der Republik. Unter ihnen etwa Dirk Luther vom Restaurant Meierei Dirk Luther im schleswig-holsteinischen Glücksburg, der derzeit zwei Sterne hält, Stefan Neugebauer aus dem Pfälzer Deidesheimer Hof und André Großfeld von Großfelds Gastraum der Sinne mit je einem Stern.

Ihre Spezialitäten werden ausschließlich mit Zutaten aus kontrolliert ökologischem Anbau sowie mit Fleisch von Tieren aus artgerechter Haltung hergestellt. „Die steigende Nachfrage nach Bioprodukten zeigt uns, dass sich immer mehr Gäste bewusst ernähren möchten“, sagt Robert Etmans, der als Vorstand Personal und Bordservice der DB Fernverkehr für die neue Aktion verantwortlich ist.

Auch der Lufthansa ist der Trend zu besonderen Gerichten nicht neu. Zwar gibt es an Bord der Flieger kein originäres Bioessen, doch wie viele Airlines bietet sie ihren Gästen Sondermahlzeiten von Diät-, Vegetarier- und Vollwertkost über laktose- oder natriumarme Speisen bis hin zu koscheren, muslim- und hindugerechten Menüs.

Die Umsetzung von Bio in Masse ist kein Zuckerlecken. Nicht nur dass zuweilen einzelne Produkte in der nötigen Menge schwer oder – wie beim Kaninchen – gar nicht zu bekommen sind. Auch bei der Verarbeitung müssen die Großküchen der Partnerbetriebe der Deutschen Bahn, Sander Gourmet und Müller Menü, sehr sorgfältig vorgehen. Denn bei der Zubereitung der biozertifizierten Menüs müssen Verarbeitungs- und Lieferkette der Produkte lückenlos nachverfolgbar sein. Das bedeutet: Werden 1.000 Kilo Kalbfleisch bei Sander Gourmet angeliefert, muss auch exakt diese Menge bei der Bahn ankommen. So wird sichergestellt, dass bei der Verarbeitung keine Nichtbioware verwendet wird.

Wild ist niemals „Bio“

Bei der Umsetzung der Aktion „natürlich genießen“ zeigt sich auch manche Absurdität im EU-Biozertifizierungssystem. So konnte etwa Wild in den Rezepten überhaupt nicht verwendet werden. Der Grund: Bei den in freier Wildbahn lebenden Tieren kann nicht kontrolliert werden, was sie fressen und wie sie leben. Das aber ist Bedingung der EU-Öko-Verordnung für Biofleisch. „Das ist schon etwas merkwürdig“, sagt Spitzenkoch Stefan Rottner vom Gasthaus Rottner. Die Gerichte des bekannten Wildspezialisten sind im Juni an Bord der Bahn zu bestellen – leider ohne Wild.

Weil artgerechte Haltung und ökologischer Anbau zusätzliches Geld kosten, sind die Preise der Biowaren recht hoch. Bei Geflügel beträgt der Bioaufschlag etwa 100 Prozent, bei Gemüse 120 Prozent. Bei Fleisch liegt das Preisplus sogar bei 160 bis 180 Prozent. Das hebt auch die Preise für die Kunden der Bahn auf ein höheres Niveau.

In der Bahn kosten die Gerichte ab 4,90 Euro für eine Suppe, etwa die Rotkohlsuppe vom Brandenburger Oliver Heilmeyer im Februar. Ab März gibt es Karotten-Ingwer-Suppe von Cliff Hämmerle aus dem Saarland. Der Eintopf, etwa vom Kohlrabi und Jungschwein, kommt auf 9,90 Euro. Die Preise für Hauptgerichte liegen zwischen 14,90 Euro und 15,90 Euro. Hier gibt es zum Beispiel regionale Spezialitäten wie Schweinegeschnetzeltes mit Mirabellen-Pfefferrahmsoße auf Wirsinggemüse mit der saarländischen Spezialität „Verheirade“, einer Kombination aus Kartoffeln und Mehlklößen.

Die Köche mussten sich nicht lange überreden lassen, sich an der Aktion der Bahn zu beteiligen. „Das ist eine super Sache“, sagt Cliff Hämmerle, Inhaber und Chefkoch des mit dem Bib-Gourmand des Guide Michelin ausgezeichneten Hämmerle’s Restaurant im Bliesgau. Für ihn sind Bio und regionale Herkunft der Produkte eng miteinander verwoben. Hämmerle: „Mit ‚natürlich genießen‘ werden noch mehr Menschen darauf aufmerksam gemacht, wie wichtig eine bewusste Ernährung ist.“

MAGDALENA ROMBERG