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Archiv-Artikel

berliner szenenElixiere des Teufels

E. T. A. Hechter

Die nebeneinander laufenden Programme kamen sich zu oft in die Quere oder stolperten über ihre eigenen Füße und kamen dann nicht mehr hoch. Das neue DSL verlangte mehr Arbeitsspeicher, doch der Laden für Macs war schon längst ganz woanders. In der Sonne fuhr ich zum Zoo und aß am Nordseeimbiss Fischbrötchen. Ein schlanker Mann fragte verschwörerisch flüsternd, ob ich Interesse an einer Sonnenbrille von Daniel Hechter hätte. Die könne er mir für zehn Euro geben. Ich müsse nur mitkommen an einen Ort in der Nähe, an dem es, wie er sagte, auch billige Laptops gebe.

Der Mann sah fantastisch aus; klein, schlank, Gel im schwarzen Haar, schicke Sonnenbrille, teure Schuhe, buntes Hemd, ein maßgeschneiderter Anzug vielleicht. Er erfüllte alle Privatfernsehklischees eines windigen Südländers und erinnerte gleichzeitig an diesen seltsamen Friseur Pietro Belcampo aus E. T. A. Hoffmanns Roman „Die Elixiere des Teufels“ – der von sich sagt, er sei die Narrheit, „die überall hinter dir her ist, um deiner Vernunft beizustehen“.

Dass ich meine diesjährige Sonnenbrille längst schon verloren hatte, wäre ein Grund gewesen, mit dem Mann mitzugehen. Aber mit Sonnenbrillen ist es ja immer so schwierig. Wegen der komischen Nase sehen die meisten blöd aus. Oder umgekehrt. Die Wahrscheinlichkeit war also gering, dass mir seine Brille stehen würde, und außerdem hatte ich tatsächlich kein Geld mehr dabei, und selbst wenn, wäre ich wohl zu feige gewesen mit ihm mitzugehen. An einen Ort, an dem er mich ja auch hätte ausrauben und drangsalieren können. So war ich fein raus und sagte das auch. Er sagte „schade“ und verschwand. Später bezahlte ich den Speicher mit Karte.

DETLEF KUHLBRODT