piwik no script img

Die lustige Witwe und ihre Untermieter

Knock-out in Hollywood: Auf ihrer Reise durch die Erzählgenres des US-Kinos sind die Regie-Brüder Joel und Ethan Coen nun beim Cartoon angekommen. Doch mit ihrem Remake der schwarzen Alexander-Mackendricks-Komödie „Ladykillers“ verflüchtigt sich ihr amoralischer Spott in reiner Slapstick-Routine

VON ANKE LEWEKE

Fallen wir mit der Tür ins Haus und halten fest, dass Joel & Ethan Coen mit „Ladykillers“ ihren bislang schlechtesten Film gedreht haben. Im grobschlächtigen Slapstick-Verfahren versammeln sie ein überdrehtes Figurenarsenal, das mit der Hysterie einer Cartoon-Bande in diese zwölfte Regiearbeit der Coen-Brüder hineinpurzelt.

Gleich in seiner ersten Szene muss Tom Hanks als behäbiger Professor G. H. Door Sternchen zählen. Beim Versuch, die Katze seiner Landlady vom Baum zu holen, krachen die Äste unter ihm zusammen. Dann nimmt die Kamera die subjektive Perspektive des linkischen Footballspielers Lump ein. Durch die Gitter seines Helms sehen wir den Ball langsam und unaufhaltsam auf uns zukommen, dann wird das Bild schwarz. Der Knock-out ist das erzählerische Grundprinzip dieses Films um eine schrullige Gangstertruppe. In fast jeder Einstellung müssen die ohnehin schon stark mitgenommenen Möchtegern-Ganoven weitere Bruchlandungen und Demütigungen erleiden.

„Ladykillers“ giert förmlich nach Lachern und ist sich für keinen Schenkelklopfer zu schade. Man fühlt sich an die Dienstagabende der Kindheit erinnert und fragt sich, warum die Coens nicht gleich die Paulchen-Panther-Abschlussmelodie übernommen haben: „Wer hat an der Uhr gedreht? Ist es wirklich schon so spät?“ Bei ihrer Reise durch amerikanische Erzählgenres sind die Brüder aus Minneapolis jetzt also beim Cartoon angekommen – jener Gattung, die ihren Reiz aus unverhohlener Schadenfreude zieht.

Nun war den Coens stets eine gewisse Bosheit eigen: Mit Vorliebe manövrierten sie ihre Helden in noch größere Katastrophen, noch schlimmere Schlamassel. Etwa Jeff Bridges’ faulen Dude aus dem Film-noir-Verschnitt „The Big Lebowski“: Gnadenlos jagten sie den Althippie in Bademantel und Schlappen durch eine so absurde wie abgründige Kriminalgeschichte voll abgeschnittener grün lackierter Zehen, schwarz gekleideter Nihilisten und gemeingefährlicher Frettchen. Oder William H. Macy, der in „Fargo“ sein knautschiges Gesicht dem wohl tragischsten Autohändler der Vereinigten Staaten leiht. Um seine finanziellen Probleme in den Griff zu bekommen, lässt er seine Frau entführen und ihren reichen Vater erpressen. Doch wie so oft bei den Coens führt ein scheinbar einfacher Plan zu verheerenden Blutbädern.

Schon immer zog das Duo die Dynamik seiner Filme aus den Misserfolgen und Fehlschlägen seiner Figuren. Doch der Spott diente stets auch als Vergrößerungsglas für einen zutiefst pessimistischen Blick auf die amerikanische Kultur. Manchmal schien es, als wollten die Coen-Brüder ihre Verbitterung angesichts des spätkapitalistischen Gerangels hinter aberwitzigen Regieeinfällen und genialischen Diskursen verbergen. Im so grotesken wie mitleidlosen Universum der Brüder ging es um einen verzweifelten Überlebenskampf, entfaltet sich eine Phänomenologie der Verlierertypen, gestrandeten Freaks und armseligen Existenzen.

Bereits mit ihrem allerersten Filmbild entlarvten die Brüder den amerikanischen Traum als bloße Schimäre. In „Blood Simple“ ist die Prärie zur endlosen Landstraße geworden, die trostlosen Überreste eines geplatzten Autoreifens dominieren den Bildvordergrund. Wo einst der Blick endlos in die Weite schweifte und alle Verheißungen in sich trug, regeln heute Bohrtürme die Verhältnisse, und eine Stimme aus dem Off formuliert im breitesten Texanisch jenen Leitspruch, den man allen Coen-Filmen voranstellen könnte : „Es gibt für nichts eine Garantie. Irgendwie kann immer etwas schief gehen. In Russland ist jeder für jeden verantwortlich. Zumindest in der Theorie. Ich weiß nur, wie es in Texas ist. Hier bist du auf dich allein gestellt.“

Auch „Ladykillers“, ein Remake von Alexander Mackendricks schwarzer Komödie aus dem Jahre 1955, beginnt mit der Totalen einer Landschaft. Noch immer erzählen Mississippis unendliche Baumwollfelder von Sklaverei und Unterdrückung – die Coens haben die Handlung des Originals aus dem nebelfeuchten London der Nachkriegszeit in die Südstaaten der Gegenwart verlegt. Mark Twains mythisch aufgeladener Fluss wird inzwischen von Müllschiffen befahren, und auf den fein säuberlich gefegten Veranden dösen schwarze Mittelständler: für Coen-Maßstäbe eine ungewohnt harmonische Szenerie, die auch durch die kriminalistische Handlung nicht weiter hintergangen wird.

Unter dem Vorwand, klassische Musik einzustudieren, nistet sich eine zwielichtige Truppe um den wortgewandten G. H. Dorr bei der gutgläubigen alten Marva Munson ein. Während aus dem Gettoblaster Renaissance-Klänge perlen, bereitet die Bande den Coup ihres Lebens vor. Von Marvas Keller gräbt man einen Tunnel in den Tresorraum eines nahe gelegenen Casinos. Wieder geht es um die Gier nach dem schnellen Geld, wieder versammeln die Brüder einen Club der Loser und schrägen Vögel auf der Leinwand. Doch diesmal knirscht es mächtig im Gebälk des Coen-Universums. Es fehlt der „Coen-Touch“, jener wahrheitsgetreu verzerrende Blick auf die amerikanische Kultur, der in jedem Film einen neuen visuellen Stil hervorbrachte.

Seltsam flach und unverbindlich wirken die Bilder – vielleicht, weil sich die Coens diesmal allen geschichtlichen und sozialen Koordinaten des Schauplatzes verweigern. Das nette Häuschen von Mrs. Munson bleibt ein keimfreier Ort – die Südstaaten als nette Community, in der eine farbige Witwe die weißen Ganoven wie Kinder zurechtweist und sich mit einem HipHopper rührende Kämpfe um dreckige Ausdrücke liefert. Mächtiges Texas, durchtriebenes Hollywood, hinterwäldlerisches Minnesota – in ihrer Südstaatenkomödie gelingt es den Brüdern nicht mehr, aus der Lokalfolklore ihre amerikanische Antimythologie zu entwickeln. Die amoralische kinetische Energie hat sich in der Slapstickroutine verflüchtigt.

Vielleicht haben die Coen Brüder mit ihrem preisgekrönten Werk „Barton Fink“ aus dem Jahre 1991 so etwas wie eine Selffulfilling Prophecy abgeliefert. Ihr titelgebender Held, ein sozial engagierter Theaterautor aus New York, wird von seinem Agenten unter dem Vorwand nach Hollywood gelockt, dass er dort eine schnelle Mark mit seinen eigenen linken Projekten machen könne. Der Rest ist bekannt.

Wir wissen nicht, ob auch die Coens an Hollywood gescheitert sind. Aber offenbar sind sie inzwischen zu saturiert und träge, um sich für das, was sie zeigen, noch wirklich zu interessieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen