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Archiv-Artikel

Jukebox

Von den Gitarren und leider auch ihren Göttern

Jimi Hendrix hat es versaut. Aber dazu muss man vielleicht noch einmal die Geschichte erzählen, wie eine neue Religion in die Welt kam und der Heilige Gral gesucht wurde, nennen wir ihn einfach mal Rock ’n’ Roll, dessen Lob nicht mit Harfe und Psalter besungen wurde, nein, und Eric Burdon ist mein Zeuge. Er war dabei, down in „Monterey“. In dem Lied berichtet er von einer seltsamen Erscheinung: „His Majesty, Prince Jones, smiled as he moved among the crowd. Ten thousand electric guitars were grooving real loud, yeah.“

Prince Jones, das war Brian Jones, der Blondschopf der Rolling Stones, der beim „Monterey International Pop Music Festival“ im Jahr 1967 durch die Menge spazierte. Die Botschaft aber liegt im zweiten Satz. Die elektrischen Gitarren. Heerscharen davon. Sie gaben dem Rock ’n’ Roll erst den Groove und waren seine Huldigung. Beides. (Ab morgigen Samstag kann man übrigens in einer Ausstellung im Deutschen Technikmuseum Berlin die Geschichte der „Stromgitarren“ bewundern).

Die Gitarre ist das Zeichen des Rock ’n’ Roll. Seine Monstranz. Das Schöne daran: Jeder durfte sie in die Hand nehmen und keiner musste wirklich damit spielen können. Es war einfach eine Krachmaschine, die wirkliche Bedeutung erst erlangte, als sie die Massen für sich entdeckten und man zu Rock ’n’ Roll gar nicht mehr Rock ’n’ Roll sagte, sondern Surf oder Beat, als sich überall Banden bildeten, drüben in Kalifornien und droben am Mersey in Liverpool. Bands in jedem Kellerloch. Kollektive, die nur an sich glaubten und an die Gitarre und daran, dass wenn man schon nicht gemeinsam in die Hitparade kommt, wenigstens die Menschen zum Tanzen bringen kann. Das meint jetzt gar nicht diesen Vier-Freunde-müsst-ihr-sein-Quatsch, aber doch so etwas wie einen Gruppen-Geist, der der Musik einen besonderen Twang gab, wie er später nicht mehr zu hören war.

Weil nämlich aus den Kollektiven wieder die Götter erwuchsen. Gitarrengötter. Ausgerechnet. Vorher kannte man keinen Gitarristen beim Namen, nun wollte man plötzlich daran glauben, dass einen einer erlösen könnte. Eric Clapton („Clapton is god“ wurde Ende der Sixties gemunkelt) sollte es sein. Oder Jimi Hendrix. Damit aber war das mit dem Rock ’n’ Roll eigentlich auch schon wieder vorbei.

Sie spürten es selbst. Man muss nur mal in den alten Filmen sehen, wie Jimi Hendrix seine Gitarre in Brand setzt. Ein Opfer. Er hatte sich versündigt. Er hat es versaut. THOMAS MAUCH