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Archiv-Artikel

Ein paar Anekdoten vom Klassenkampf

Von 1969 bis 1987 war Klaus Hübner Polizeipräsident von Berlin. Anlässlich seines 80. Geburtstags trafen sich nun alte Weggefährten zum Veteranentreffen. Freund und Feind zeigten sich milde gestimmt. Eine kritische Reflexion blieb aus

VON OTTO DIEDERICHS

Der grüne Spitzenpolitiker Wolfgang Wieland brachte es auf den Punkt. Hätte es seinerzeit schon Talkshows gegeben, so wäre Klaus Hübner wohl der „Showstar unter den deutschen Polizeipräsidenten“ gewesen und durch alle Sender gereicht geworden. Der so gelobte Berliner Ex-Polizeipräsident (1969 bis 1987) genoss es, nickte und lächelte freundlich. Vor kurzem ist Klaus Hübner 80 Jahre alt geworden. Aus diesem Anlass veranstaltete der „Förderkreis der Polizeihistorischen Sammlung Berlin“ am Mittwochabend eine Diskussionsrunde „über eine wegweisende Epoche Berliner Polizeiarbeit“.

Das hätte wirklich spannend sein können, denn kein anderer hat die Berliner Polizei so umgekrempelt wie Klaus Hübner und dabei bis heute allgemein gültige Maßstäbe für eine demokratische Polizeiarbeit gesetzt. Kein Polizeipräsident war länger im Amt als er und keiner ist – wie Hübner – freiwillig daraus geschieden, weil ihm sein Senator immer engere Fesseln anlegte und am Ende sogar die Reifenmarke der Funkwagen bestimmen wollte.

Als Hübner 1969 sein Amt antrat, waren Politik und Polizei noch fest im Freund-Feind-Denken des damaligen Ost-West-Konfliktes erstarrt, Organisation und Ausrüstung der Ordnungshüter waren überholt und über jeder Entscheidung im Sicherheitsbereich thronten als letzte Instanz die Alliierten. Zugleich war es die Zeit der so genannten Studentenunruhen, des aufkommenden Terrorismus von RAF und 2. Juni und später der Hausbesetzerbewegung.

Klaus Hübner hat sie alle erlebt und überwiegend gemeistert. Getreu seiner Devise „Jede Straßenschlacht, die die Polizei gewonnen hat, hat die Demokratie verloren“, öffnete er Politik und Polizei in einem mühsamen Prozess die Köpfe. Eine große Leistung. Um den üblichen Schlagstockeinsatz zurückzudrängen, führte er ein polizeiliches Diskussionskommando und neue Einsatzstrategien jenseits militärischen Denkens ein.

Das war wegweisend, gelang aber häufig nicht, also galt er den Protestierern lange als „Ver-Möbel-Hübner“. Während der Hausbesetzerzeit der 80er-Jahre war er der Motor der „Berliner Linie“, nach der Häuser erst dann geräumt werden sollten, wenn ein Nutzungskonzept vorlag. Auch das misslang oft genug.

Daneben organisierte er den gesamten Polizeiapparat nachhaltig um: Hübner führte völlig neue Führungsstrukturen ein und modernisierte die Datenverarbeitung, er konzentrierte die kleinräumigen Polizeiabschnitte zu größeren Direktionen und setzte seine Polizisten verstärkt in Funkwagen. Das führte zu einem Verlust von Bürgerkontakten und in der Reaktion zur Einführung von Kontaktbereichsbeamten. Klaus Hübner stellte die ersten Sondereinsatzkommandos (SEK) auf und öffnete die Polizei für Frauen … und, und, und!

Viel Diskussionsstoff also. Auch für eine kritische Selbstreflexion des Jubilars, denn nicht alles, was wegweisend war, war deshalb auch gut. Doch nichts davon. Klaus Hübner hat offenbar nie mit sich gerungen, sich etwas überlegt oder war der Meinung: Nein, der Expräsi ruht selbstgerecht in seinen Erfolgen, ihm war stets alles „völlig klar“, er hat (vor allen anderen) „erkannt“ und „klar geradeaus gedacht“. Sprache kann verräterisch sein.

Ohnehin saßen mit ihm, seinem ehemaligen Staatsschutzchef Manfred Kittlaus, mit Wolfgang Wieland und dem Politikwissenschaftler Klaus Schröder vier einstmalige Kontrahenten und heute milde gestimmte ältere Herren auf dem Podium, kalauerten und erzählten sich Anekdoten vom Berliner Klassenkampf.

Etwa davon, wie der Leiter des Diskussionskommandos, Werner Textor, auf einen Polizeiwagen kletterte, um nach der dritten Aufforderung an Demonstranten, den Ku’damm zu verlassen, die „Berliner Wasserspiele“ für eröffnet zu erklären. Oder wie bei der Demo gegen den US-Einmarsch in Kambodscha 1971: „Der Himmel schwarz war von Pflastersteinen.“ Oder wie sich die Polizei in die Telefonkette der Hausbesetzer einschaltete, um eine befürchtete Räumung abzusagen, da es sich dabei lediglich um die Suche nach gestohlenem Baumaterial handele. Und so ging es immer weiter. Doch dem Publikum, zumeist einstige polizeiliche Weggefährten Hübners aus altvorderer Zeit, gefiel es. So ist das eben bei Veteranentreffen, wenn Erinnerungen hochkommen.

Aber auch der heutige Polizeipräsident Dieter Glietsch war zufrieden: „Wenn man das nicht selbst mitgemacht hat, ist das doch sehr spannend und lehrreich.“ Schön, dass wir wieder mal drüber gesprochen haben! Doch als eine Veranstaltung in der Reihe „Gelebte Polizeigeschichte“ stimmte es irgendwie dann doch wieder, und im Berliner Polizeimuseum ist ohnehin kein Platz mehr für weitere Vitrinen. Also Glück gehabt.