: Deutschland wird immer korrupter
Nur noch Platz 18 auf Rangliste „sauberer“ Länder. „Transparency International“ kritisiert vor allem Gesundheitssektor
BERLIN taz ■ Deutschland ist keine Bananenrepublik, ein derart hartes Urteil will Peter Eigen, Chef von Transparency International (TI), nicht fällen. Aber in seinem neuen Buch „Das Netz der Korruption“ benennt er großen Reformbedarf.
Beispiel Gesundheitswesen: Zahnärzte rechnen billig importierten Zahnersatz überteuert ab, Ärzte lassen sich nicht erbrachte Leistungen bezahlen, und die Pharmaindustrie sponsert Reisen für Chefärzte, um ihre Medikamente in den Kliniken unterzubringen.
Um gegen dieses „syndikatähnliche Gesundheitskartell“ vorzugehen, fordert die deutsche Transparency-Sektion die Einrichtung von Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften. Auch sollen Patienten das Recht erhalten, die Abrechnungen ihres Arztes einzusehen. Doch einigten sich Union und SPD bei ihren Konsensverhandlungen nur auf eine „freiwillige Patientenquittung“.
Die Union hat sich im Bundesrat bisher auch erfolgreich gegen das Antikorruptionsregister gesträubt, das die Organisation fordert. Also gibt es keine bundesweite schwarze Liste von Firmen, die versucht haben, öffentliche Stellen zu schmieren. Der Schaden beläuft sich jährlich auf geschätzte fünf Milliarden Euro.
Inzwischen, so muss Eigen konstatieren, ist Deutschland im weltweiten Antikorruptionsindex „kontinuierlich abgesunken“. Es belegt nur noch Platz 18 von 102 Ländern.
Eigens neues Buch ist auch ein „Geburtstagsgeschenk“, das er seiner eigenen Organisation gemacht hat: Transparency International ist zehn Jahre alt geworden. 1993 verließ der Jurist die Weltbank, weil er sich dort für die Korruptionsbekämpfung nicht engagieren durfte. Zuvor war Eigen jahrzehntelang in Südamerika und in Afrika als Direktor der Weltbank tätig gewesen. Dabei erlebte er immer wieder, „wie die schädlichsten Projekte am schnellsten umgesetzt wurden“. Lieferanten aus dem Norden bestachen Politiker in den Entwicklungsländern. Es entstanden Häfen, Staudämme, Pipelines oder Baumwollplantagen, die niemand brauchte, die aber immense Schulden auftürmten und allzu oft die Umwelt ruinierten.
Wie aus dem Ein-Mann-Betrieb in Berlin eine weltweite Nichtregierungsorganisation mit hundert nationalen Sektionen wurde – auch das beschreibt das Buch. Zentrale Strategie bei dieser „Mobilisierung der weltweiten Zivilgesellschaft“: keine Konfrontation. „Wir versuchen, Koalitionen zu bilden.“ Längst kooperiert man wieder intensiv mit der Weltbank. Der Etat von jährlich sieben Millionen Dollar stammt überwiegend aus staatlichen Entwicklungshilfegeldern. Diese enge Zusammenarbeit mit Regierungen und großen Unternehmen sei jedoch ein „Balanceakt“, betonte Eigen gestern bei der Buchvorstellung. Viele der Partner, ob Firmen und Politiker, hätten selbst „Skelette im Keller“. Da hilft es, dass TI „nicht die Einzelfälle von Korruption“ untersuchen will – sondern auf Prävention setzt. ULRIKE HERRMANN
Peter Eigen: „Das Netz der Korruption. Wie eine weltweite Bewegung gegen Bestechung kämpft“. Campus Verlag, Frankfurt 2003, 301 S., 24,90 Euro