Schlichtes Juwel im Insektenlook

Borussia Mönchengladabch weiht mit einem Blitzturnier sein neues Stadion ein. Die um Routiniers erweiterte Mannschaft soll nach oben. Anweisungen von Trainer Holger Fach gehen im Lärm unter

Neues Stadion, neue Mannschaft, alte Erfolge

AUS GLADBACHCHRISTIANE MITATSELIS

Nachdem der neue Borussia-Park eingeweiht war, bekamen die Trainer der geladenen Vereine umgehend die Chance, sich als gute Gäste zu zeigen. „Herr Deschamps“, sprach der Mönchengladbacher Pressemann in sein Mikro, „Erst einmal ein Wort zum neuen Stadion, bitte!“ Didier Deschamps, Trainer des AS Monaco fand das neue Stadion ordnungsgemäß „fantastique“ und „vraiment très beau“ (wirklich sehr schön). Als Deschamps‘ Münchner Kollege Felix Magath auf der Pressekonferenz an der Reihe war, urteilte er: „Das Stadion ist unheimlich schön. Da kann man nur gratulieren.“

Vorher waren die Gäste-Teams weniger nett gewesen: Die Münchner besiegten Gladbach beim Einweihungs-Turnier mit 2:0, Monaco schickte den VfL mit 0:1 ebenfalls torlos vom Feld. Nicht so schlimm, meinte Borussen-Trainer Fach. „Diese Mannschaften sind nicht unsere Kragenweite.“ Um einen Kommentar zur Schönheit des neuen Stadions musste er nicht ausdrücklich gebeten werden. Völlig hingerissen rief er: „Das Stadion ist wirklich eine tolle Sache!“ 54.000 Zuschauer waren am Freitagabend zur Eröffnung gekommen. Innerhalb von nur 20 Monaten für den günstigen Preis von 87 Millionen Euro für Grundstück, Erschließung und Bau wurde die Arena eröffnet. Zum Vergleich: Der Umbau des Kölner RheinEnergie-Stadion kostete etwa 85 Millionen Euro.

Das neue Juwel vom Niederrhein gleicht mit seinen dünnen, stützenden Metallstreben von Außen einem riesigen Insekt. Innen ist es hell, schlicht, fast steril. Die steilen Ränge erinnern entfernt an den alten Bökelberg. Und so gefiel den Mönchengladbacher Zuschauern das Borussen-Stadion auf Anhieb. Sie feierten und machten so großen Lärm, dass sie Fach vor ein neues Problem stellten: „Meine Spieler verstehen mich nicht mehr. Ich brülle aufs Feld, und es kommt keine Reaktion.“ Es wird sich eine Lösung finden. Und auch das Verkehrs-, Müll- und Karten-Chaos, das rund um das Stadion ausbrach, kann man in die Rubrik „Kinderkrankheiten“ einordnen. Immerhin hat die Borussia ihre Zuschauer-Kapazität um 20.000 Besucher erhöht. „Für den Verein beginnt ein neues Zeitalter“, glaubt Borussen- Präsident Rolf Königs. Wirtschaftlich stehe das Projekt auf sicheren Beinen.

Dem Verein ist es in den vergangenen fünf Jahren gelungen, seine hohe Schuldenlast durch einenstrikten Sparkurs abzutragen. 20.000 Dauerkarten hat der Klub bereits verkauft, ein realistischer Schnitt von 40.000 Besuchern wird angepeilt. Nebenher sollen Konzerte und andere Veranstaltungen im neuen Stadion stattfinden, das so in 15 Jahren abbezahlt werden soll. So hat es die Borussia errechnet. Bleibt der sportliche Erfolg, der naturgemäß schwerer zu kalkulieren ist als der ökonomische. Sportdirektor Christian Hochstätter stellt sich eine Saison „ohne Zittern“ vor, also wohl einen Platz im gesicherten Mittelfeld. „Der Umzug ins neue Stadion“, meint Hochstätter, „war ein guter Zeitpunkt, auch der Mannschaft ein neues Gesicht zu geben.“

Sieben neue Spieler stehen im Kader, darunter mit Christian Ziege (32) und Oliver Neuville (31) zwei deutsche Nationalspieler, wenn auch nicht ganz taufrische. Ersterer jedenfalls, der von Tottenham Hotspur an den Niederrhein kam, beeindruckte Fach in der Vorbereitung so sehr, dass er ihn zum neuen Borussen-Kapitän machte. „Er hat sich hervorragend eingeordnet“, sagt der Trainer. Der Ex-Leverkusener Neuville, den es sehr geärgert hatte, dass er nicht zu EM durfte, gab sich im Kicker schon mal kämpferisch: „Ich werde in Gladbach meine Tore machen, und dann bin ich wieder ein Thema für die Nationalelf.“ Die weiteren, erfahrenen Neuzugänge Nico van Kerckhoven (33) und Milan Fukal (29) lassen den Beobachter zwar nicht unbedingt in unkontrollierte Euphorie verfallen. Die Mixtur aus Routiniers und jungen Spielern wie Jan Schlaudraff (21), dem noch verletzten Thomas Broich (23) und Vaclav Sverkos (20) scheint jedoch recht ausgewogen. Gelegenheit, das erste Tor im neuen Stadion zu schießen, haben die Gladbacher am 14. August im Bundesliga-Spiel gegen Dortmund. Zuvor startet Fachs Team in Bielefeld in die Saison.