: Serbien statt Stacheldraht
Der größte Asylstandort in Essen soll geschlossen werden. Geplant war dort die Einquartierung von 700 Roma-Flüchtlingen. Die sollen jetzt aber freiwillig zurückgehen oder abgeschoben werden
VON NATALIE WIESMANN
Die Stadt Essen will voraussichtlich ihr größtes Containerdorf für Flüchtlinge schließen. Zwar gibt es noch keinen Ratsbeschluss, doch „das Aus für den Standort Overhammshof ist sicher“, so der Essener Bürgermeister Hans-Peter Leymann-Kurtz (Ex-Grüner). Auch Caritas und Pro Asyl-VertreterInnen gehen davon aus, dass die zurzeit leer stehenden Container nicht mehr bezogen werden. Denn die 700 Roma, die die Stadt ursprünglich dort unterbringen wollte, sollen „rückgeführt“ werden.
Seit seiner Errichtung Anfang der 1990er Jahre steht das Asylbewerberlager im Süden der Stadt bereits in der Kritik der Flüchtlingslobby. Die Unterkunft befinde sich zu weit weg von Schulen und Einkaufsmöglichkeiten. Außerdem habe die enge Aneinanderreihung von Wohncontainern, sowie Stacheldraht und Flutlicht „Lagercharakter“. Der Anblick wecke „böse Erinnerunge“‘, so Caritas-Sprecher Rudi Löffelsend zur taz.
Ursprünglich war geplant, 700 serbische Roma von anderen maroden Asylbewerber-Einrichtungen in das momentan unbewohnte Lager einzuquartieren. Doch das scheint nicht mehr notwendig: Denn diese sollen jetzt durch ein Rückführungsprogramm freiwillig zurückgehen. Diejenigen, die nicht freiwillig gehen, sollen sukzessive abgeschoben werden. Die Idee für das Wiedereingliederungsprogramm in Serbien kam von Caritas-Sprecher Rudi Löffelsend. „Die Abschiebung ist beschlossen, wir versuchen, das Beste daraus zu machen.“ In Zusammenarbeit der Caritas in Belgrad koordiniert er nun das von der Stadt finanzierte Projekt. Das Programm sieht Wohnungsgeld, Lohnkostenzuschüsse sowie Existenzgründungshilfen vor. Zudem sollen die Kinder, die ihre “Heimatsprache“ nicht beherrschen, Serbisch-Kurse besuchen.
Mindestens 200 Freiwillige wollte die Stadt mit ihrem Programm locken. Doch nur 120 Roma haben sich bisher dazu überreden lassen. Juliane Pilz von Pro Asyl/Flüchtlingsrat Essen glaubt zu wissen warum: „Die Hilfe endet nach einem Jahr. In dieser Zeit ist es fast unmöglich, sich eine Existenz aufbauen.“ Bei einer Arbeitslosenquote von 40 Prozent in Serbien liegt dies nahe. Außerdem seien die Kinder hier aufgewachsen, teilweise sogar in Essen geboren.
Auch der Caritas-Sprecher muss zugeben, dass gerade für Roma das Leben in Serbien nicht einfach werden könnte. Doch Löffelsend ist optimistisch: „Die Caritas vor Ort will sich um die Ernennung von kommunalen Roma-Beauftragten bemühen.“ Und schließlich sei es besser mit der städtischen Hilfe dort Fuß zu fassen, als ohne Unterstützung abgeschoben zu werden. Löffelsend erklärt sich das geringe Interesse an dem Wiedereingliederungsprogramm anders: „Viele dachten, sie würden durch das Zuwanderungsgesetz ein Bleiberecht erhalten.“ Aber das sei nun endgültig vom Tisch. Schon jetzt würden etwa 10 Menschen pro Woche abgeschoben, so Löffelsend. „Das Tempo der Abschiebungen hat sich in der letzten Zeit noch erhöht“, sagt er.
Trotzdem konnte die CDU sich bisher nicht zur Schließung des Overhammshofs entscheiden. „Trotz sinkender Asylbewerberzahlen wollen Teile der Verwaltung den Standort zumindest als Reserve-Lager erhalten“, so CDU-Fraktionsassistent Heinz Adrian. Mehr weiß er nicht, die CDU-Expertin für dieses Thema sei im Urlaub. Die Entscheidung soll nach der Sommerpause gefällt werden, sagt er.