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Archiv-Artikel

„Mehr Geld für Stichproben“

Nur in wenigen Bundesländern werde Obst und Gemüse ausreichend kontrolliert, sagt der Pestizid-Experte Matthias Frost. Er rät zum Kauf von einheimischer Ernte und Produkten der Saison

taz: Herr Frost, wie oft ist mit Gift belastetes Gemüse oder Obst in diesem Jahr von deutschen Beamten aus Kaufhäusern verbannt worden?

Matthias Frost: Ich kenne keinen Fall, in dem Paprika oder Bananen vom Markt genommen wurden, weil in ihnen zu viele Pestizide gefunden wurden.

Dabei werden die Grenzwerte gleich mehrfach überschritten. Warum versagen die Kontrollen?

Bis die Laborergebnisse da sind, sind die Produkte schon verkauft oder verdorben. Immerhin wird aber Druck auf die Hersteller ausgeübt. Treten in den gleichen Waren häufiger Rückstände auf, kann ihnen theoretisch die Vermarktung untersagt werden.

Warum schneidet ausgerechnet Deutschland so schlecht ab?

Das liegt zum einen daran, dass 60 Prozent aller Früchte importiert werden. Produkte aus Spanien oder Marokko sind aber deutlich höher belastet als die einheimischen. Außerdem werden Obst und Gemüse in Deutschland einfach auf mehr Pestizide geprüft als etwa in Skandinavien oder Großbritannien.

Das ändert nichts daran, dass das Ergebnis bedenklich ist.

Stimmt. Obst und Gemüse sollten eigentlich frei von Chemie sein. Nur: Der Preisdruck bei den Händlern ist enorm, der Verbraucher will Schnäppchen. Unter diesen Bedingungen kann man nur mit Pestiziden produzieren.

Kann ich denn zumindest davon ausgehen, dass mein Supermarkt einmal im Jahr Besuch von Kontrolleuren bekommt?

Leider nicht. Das ist von Bundesland zu Bundesland verschieden. In Hamburg werden fast alle Supermärkte und Restaurants kontrolliert. In Hessen, Baden-Württemberg oder Rheinland-Pfalz hingegen gilt das nur für ein Drittel. In Hessen beispielsweise haben die Kontrolleure nicht mal genug Geld für Benzin.

Wäre eine bundesweite Regelung nicht sinnvoller?

Viel wichtiger ist es, dass der Staat mehr Geld gibt.

Sind die Grenzwerte gegenwärtig ausreichend?

Sie stehen wissenschaftlich zumindest auf wackeligen Füßen. Ihre Höhe ist oft willkürlich. Sie werden für jede einzelne Substanz festgelegt. Die Landwirte verhindern die Überschreitungen nun mit einem einfachen Trick: Sie greifen zu unterschiedlichen Pflanzenschutzmitteln mit derselben Wirkung. Um das in den Griff zu bekommen, müssen endlich Grenzwerte für ganze Wirk-Gruppen her.

Kinder sind besonders stark gefährdet. Sollen die Kleinen weniger Karotten, mehr Spaghetti essen?

Wie für Erwachsene gilt auch für Kinder: ausgewogen ernähren. Und am besten sind Produkte aus der Region und der Saison. Erdbeeren, Kirschen oder Rhabarber, die im Dezember um den Globus transportiert werden, sind bestimmt stärker belastet.

Warum werden die Gifte von den meisten Politikern verharmlost?

Zwar nehmen Allergien zu, doch so richtig sichtbar ist die schleichende Vergiftung nicht. Die Gefahr durch einen Autounfall oder Rauchen zu sterben ist eben größer.

INTERVIEW: HANNA GERSMANN