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Archiv-Artikel

Absage an die „sozialen Trittbrettfahrer“

Was alles angeblich nicht geht: Der Rürup-Bericht lehnt klassische linke Umverteilungsvorschläge ab. Die Begründungen sind aufschlussreich

BERLIN taz ■ Die Gewerkschaftsvertreter waren sauer. Die Diskussionen in der Rürup-Kommission seien von vornherein „verengt“ gewesen, rügte DGB-Vizechefin Ursula Engelen-Kefer. In der Tat erteilt der Abschlussbericht der Kommission vielen linken Umverteilungsvorschlägen zum Sozialsystem eine Absage. Die Begründungen dafür sind für künftige Debatten wichtig.

Als gerechteres Zukunftsmodell für die Alterssicherung wird beispielsweise oft eine so genannte steuerfinanzierte Grundrente für alle alten Menschen ins Gespräch gebracht. Die Idee dabei: Alte Menschen erhalten künftig eine Grundrente, die aus den Steuern aller BürgerInnen finanziert wird.

Der Knackpunkt bei dieser Idee sei die „Übergangsphase“ vom bisherigen zum steuerfinanzierten Grundrenten-System, heißt es im Rürup-Bericht. Während einer Übergangszeit müssten nämlich die heute Jüngeren nach wie vor Rente für die Ruheständler zahlen, bekämen im Alter aber eben nur die einheitliche Grundrente. Im Übrigen sage „Steuerfinanzierung“ noch lange nichts darüber aus, „wie stark sich der Einzelne tatsächlich an der Finanzierung des Staates beteiligt“, heißt es im Rürup-Bericht. Die Grundrente begünstige „Trittbrettfahrer-Verhalten“. Außerdem litte auch das Grundrentenmodell – wie das heutige System – unter der demografischen Entwicklung. Denn damit verschlechtere sich ebenfalls „das Verhältnis von Steuerzahlern zu Grundrente-Empfängern“.

Den von Gewerkschaftsseite geäußerten Vorschlag, Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, lehnt die Rürup-Kommission ab. Zwar gewinne man so neue Beitragszahler, diese jedoch erwerben auch Rentenansprüche. „Auf Dauer droht (damit) sogar ein höherer Beitragssatz“, heißt es. Die Beamten einzubeziehen wäre wahrscheinlich sogar auf lange Sicht „ein Verlustgeschäft“ für die Rentenversicherung, „weil Beamte im Durchschnitt eine um 2,3 Jahre längere Lebenserwartung aufweisen als die Gesamtbevölkerung“, rechnen die Experten kühl vor. Zudem sei die „Dienstunfähigkeit“ – sprich vorzeitiger Ruhestand – im öffentlichen Dienst „weit verbreitet“. Sprich: Beamte wären besonders teure Rentner.

Die Idee, die Beitragsbemessungsgrenze zu erhöhen, um besser Verdienende stärker zu belasten, sieht die Mehrheit der Kommission ebenfalls kritisch. Höhere Beiträge ziehen höhere Rentenansprüche nach sich. Da Besserverdienende – wie Beamte – eine höhere Lebenserwartung hätten, werde die Rentenversicherung dadurch langfristig nicht entlastet.

Der Vorschlag der Gewerkschaften, die Versicherungsdauer beim Renteneintritt zu berücksichtigen, wird ebenfalls abgelehnt. Damit werde „das Äquivalenzprinzip durchbrochen“. Dürfen nämlich länger Versicherte früher und dann ohne Abschlagspunkte in Rente gehen, bekämen sie über einen längeren Zeitraum Rente als jene Beitragszahler, die kürzer gearbeitet und entsprechend später im Leben erst in den Ruhestand wechseln dürften.

Die Kinderzahl bei Rentenbeiträgen und Rente stärker zu berücksichtigen als bisher wird von der Mehrheit der Kommission gleichfalls abgewiesen. Ein „Familienlastenausgleich“ dürfe nicht über die gesetzliche Rentenversicherung erfolgen, da dieser Lastenausgleich als staatliche Maßnahme anzusehen sei. Schließlich seien viele staatliche und gesellschaftliche Bereiche und nicht nur das Rentensystem auf eine „nicht abreißende Generationenfolge angewiesen“. Würden Rentenbeitrag zahlende Eltern besonders entlastet, sei dies zudem ungerecht beispielsweise gegenüber Eltern auf Sozialhilfe. Kinderspezifische Rentenbeiträge widersprächen zudem dem „Prinzip der Teilhabeäquivalenz“ für alle Rentenversicherten.

Die gewerkschaftlichen Vertreter in der Kommission sehen viele Punkte anders. Engelen-Kefer und andere sind in einem Minderheitenvotum für die „Ausweitung des versicherungspflichtigen Personenkreises“ in der Rente. Die Mehrheit der Kommission sei darüber nicht „zu einer vertieften Diskussion“ bereit gewesen, rügen die Gewerkschafter. BARBARA DRIBBUSCH