Keine Sprechstunde für arme Tierbesitzer

Das Tierheim scheiterte mit dem Versuch, eine kostenlose Tier-Untersuchung anzubieten, an der Tierärztekammer

Immer häufiger muss das Bremer Tierheim alte und kranke Tiere aufnehmen, weil deren BesitzerInnen die Tierarztkosten nicht mehr zahlen können. „Das ist für Hartz-IV-Empfänger ein ganz großes Problem“, hat Gaby Schwab vom Tierheim beobachtet. „Wir bekommen jeden Monat mehrere Anrufe von Leuten, die ihr Haustier abgeben wollen, weil es krank ist“, sagt Schwab. „In solchen Fällen versuchen wir mit dem Tierarzt Ratenzahlungen zu vereinbaren.“

Mit einer regelmäßigen „Sozialsprechstunde“ wollte das Tierheim ab diesem Jahr das Problem grundsätzlich lösen. Der Plan: Ein Veterinär hätte auf dem Tierheim-Gelände kostenlos Tiere untersucht und geimpft. Wäre eine Behandlung notwendig geworden, hätte das Tierheim mit wohnortnahen TierärztInnen eine Ratenzahlung ausgemacht, die Bedürftigkeit des Halters geprüft und für ihn gebürgt. „Wir wollen ja niemand Kunden wegnehmen“, sagt Schwab.

Dennoch lassen sich die Bremer Tierärzte nicht auf das Vorhaben ein. „Es verstößt gegen unsere Berufsordnung, eine Sprechstunde außerhalb des Praxissitzes abzuhalten“, begründet der Präsident der Bremer Tierärztekammer, Ernst Ulrich Koch, die ablehnende Haltung. Zwar teile die Kammer die Ansicht, dass armen Menschen geholfen werden müsse, doch eine Änderung der Berufsordnung stehe nicht an.

Stattdessen verhandelt die Kammer mit Anbietern von Tierversicherungen. „Das Ziel ist ein kostengünstiger Spezialtarif“, sagt Koch. Über die genaue Höhe könne er noch keine Angaben machen. Derzeit kosten Krankenversicherungen für Hunde und Katzen ab 20 bis 30 Euro monatlich, in vielen Fällen müssen Operationen extra versichert werden, gibt es eine Leistungsbegrenzung, fallen Selbstbeteiligungskosten an.

Koch glaubt dennoch, dass dies der richtige Weg ist. „Damit hätten die Leute jeden Tag einen Ansprechpartner und nicht nur einmal die Woche.“ Er hofft auf eine Einigung mit dem Tierheim, das nach Vorstellung der Kammer die Bedürftigkeit überprüfen würde.

Doch das Tierheim ist skeptisch. „Selbst wenn die Leute nur die Hälfte zahlen müssten“, sagt dessen Sprecherin Schwab, „weiß ich nicht, wo die so viel Geld hernehmen sollen“. Zumal es möglich sei, dass jemand jahrelang die Versicherung zahle, ohne ein einziges Mal den Tierarzt in Anspruch nehmen zu müssen.

Außerdem gehe es bei der Sprechstunde nicht einfach um eine Umsonst-Behandlung, sondern um Motivation und Unterstützung, so Ulrich Dürr, Geschäftsführer der Kleintierklinik in Schwachhausen und „Hausarzt“ des Tierheims. Dürr wäre bereit gewesen, die Sprechstunde ehrenamtlich abzuhalten. „Das wäre ein Angebot gewesen an Tierhalter, die wissen, dass ein krankes Tier sie finanziell in Schwierigkeiten bringen würde und die voraus planen wollen.“ Seine Hoffnung: Dass jemand so den Weg zum Tierarzt findet, bevor eine Krankheit chronisch wird oder nur noch aufwändig behandelt werden kann.

Das Problem damit zu lösen, dass arme Menschen in Zukunft auf Tierhaltung verzichten müssen, hält Dürr für abwegig. „Es ist wissenschaftlich erwiesen, wie wichtig Tiere gerade in solchen Lebenslagen sind“, sagt Dürr. „Und in Familien können Tiere einen unendlich wertvollen Beitrag zur sozialen Entwicklung der Kinder leisten.“ Dazu gehöre auch die Erfahrung, sich um ein Wesen zu kümmern, wenn es krank wird. eib