: Bewährung gefordert
Prozess wegen Mauerschüssen: Staatsanwaltschaft will Bewährungsstrafen für ehemalige Politbüromitglieder
Im vermutlich letzten Prozess gegen Mitglieder des DDR-Politbüros wegen der Todesschüsse an der Mauer hat die Staatsanwaltschaft gegen die beiden Angeklagten am Dienstag Bewährungsstrafen von zwei Jahren gefordert. Angeklagt vor dem Berliner Landgericht sind der 74-jährige Hans-Joachim Böhme, einst SED-Chef in Halle, und der 73 Jahre alte Siegfried Lorenz, früher SED-Chef in Karl-Marx-Stadt (Chemnitz). Ein Nebenkläger hat zudem beantragt, Lorenz und Böhme zu jeweils 5.000 Euro Schmerzensgeld zu verurteilen.
Der Vorwurf lautet auf Beihilfe zum Totschlag durch unterlassenes Eingreifen gegen das DDR-Grenzregime in drei konkreten Fällen. Im Juli 2000 waren Böhme, Lorenz sowie das frühere Politbüromitglied Herbert Häber von einer anderen Strafkammer des Landgerichts freigesprochen worden. Das Gericht war damals davon ausgegangen, dass die Angeklagten den Schießbefehl an Stacheldraht und Mauer nicht hätten stoppen können. Dieses Urteil hatte der Bundesgerichtshof am 6. November 2002 aufgehoben.
Der BGH hatte auch darauf hingewiesen, dass zur Humanisierung des Grenzregimes Stacheldraht und Mauer nicht hätten abgebaut werden müssen. Es hätte gereicht, die Anzahl der Wachposten so zu erhöhen, dass Flüchtlinge hätten ergriffen werden können, anstatt aus großer Entfernung auf sie zu schießen.
Nach Feststellung des Bundesgerichtshofes war die Untätigkeit der Angeklagten sowohl nach DDR-Recht als auch nach dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik strafbar. Die Staatsanwaltschaft im Revisionsverfahren bezeichnete dies als Leitvorgabe für ihre Anträge gegen Böhme und Lorenz.
Das Verfahren gegen Häber war nach der BGH-Entscheidung abgetrennt worden. Häber war im Mai für den Tod dreier DDR-Flüchtlinge der Anstiftung zum Mord schuldig gesprochen worden, aber ohne Strafe geblieben. Das Gericht erkannte damit an, dass sich Häber für eine Lockerung des Grenzregimes eingesetzt hatte.
Unter den Zuhörern befanden sich zahlreiche ehemalige DDR-Funktionäre. Anders als beim Prozessauftakt am 23. Juli war aber der ehemalige DDR-Staats- und Parteichef Egon Krenz nicht mehr erschienen. Das Landgericht hatte ihn im August 1997 in Zusammenhang mit den Todesschüssen an Mauer und innerdeutscher Grenze zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Krenz war kurz vor Weihnachten 2003 vorzeitig entlassen worden. AP, DPA