piwik no script img

Archiv-Artikel

Monströse Welt

Königstänzer und ein Requiem auf den 11. September haben das Hamburger Laokoon-Festival eröffnet

Monströser sei die Welt geworden, stellte Leiter Hidenaga Otori zur Eröffnung des Hamburger Laokoon Sommerfestivals auf Kampnagel fest. Eine Veränderung gebe es, die seit dem 11. September 2001 die Welt immer fester umklammere. Und zur Untermauerung des Mottos „Cyborgs against the Empire“ fügte der japanische Theaterwissenschaftler hinzu: Er rechne auf die Subversivität der Künstler.

Davon, dass die Dinge heute nicht mehr eindeutig in Gut und Böse zu unterteilen sind, erzählt auch das Tanzstück der Arts Fission Company aus Singapur. Die Europapremiere von Shadowhouses zum Festivalauftakt war ein Requiem auf die Anschläge in den USA, ein Tanz auf der Suche nach Hoffnung. Da verwunderte es schon, wie fest die Choreografin Angela Liong auf das Vokabular der Tanzmoderne vertraute, das explizit an Ausdruck und Authentizität glaubt. Nur gelegentlich schlichen sich Zweifel ein. Dann wurden die Bewegungen der Tänzerinnen brüchiger; zuletzt standen sie mit leeren Händen da.

Das könnte den beiden javanischen Königstänzern, die auch Teil des Ensembles sind, wohl nie passieren. Tief hat sich die Jahrhunderte alte Tradition in ihren Gestenkanon eingegraben. Ihr Tanz ist nicht nur Symbol für Schönheit, sondern auch für den ewigen Kampf der Dualismen. Genau deshalb hat Liong die beiden Tänzer integriert. Und zuweilen suchen die Tänzerinnen Schutz in anmutigen Bewegungen, bis auch sie zu leeren Anachronismen verkommen.

Die Klänge von Black Angels, George Crumbs musikalisches Requiem auf den Vietnam-Krieg durchdringen gleichzeitig den Raum – aus weißen Wandteilen, die wie Papierfetzen aussehen. Das Licht, das durch die Ritzen dringt, öffnet immer neue Perspektiven. Schwarze Regenmäntel haben die Frauen über ihre orangefarbenen Wickelröcke gezogen; sie fegen in einem Anflug von Laufstegchoreografie über die Bühne. Die Postmoderne hält somit doch noch Einzug in dieses Shadowhouse. Stilbewusst erinnert es zudem an seinen Herkunftsort, an Singapur, Südostasiens Vorzeigemetropole, berüchtigt für ihre zwanghafte Sauberkeit.

Schlussendlich regnet es Pingpongbälle. Die Grazie, mit der die Arts Fission Company scheinbar oberflächlich und diffus ein so schwieriges Thema anpackt, verwirrt und wirkt nach anfänglicher Leere lange nach.

MARGA WOLFF

nächste Vorstellung: 30. 8., 20 Uhr