Irak versinkt im Terror

Bei Bombenanschlag auf Heiligtum der Schiiten stirbt in Nadschaf der Schiitenführer Ajatollah al-Hakim. Mindestens 82 weitere Tote. Im Nordirak wird der Vizechef von Suleimanija getötet

KAIRO taz ■ Bei einem Bombenanschlag auf die Ali-Moschee in der irakischen Schiitenstadt Nadschaf sind gestern nach Krankenhausangaben mindestens 83 Menschen getötet und 227 weitere verletzt worden. Unter den Toten ist auch der Chef des Obersten Rats der Islamischen Revolution (Sciri), Mohammed Bakir al-Hakim.

Bakir al-Hakim zählte zu den pragmatischen Führern der schiitischen Gemeinde im Irak, die mindestens 60 Prozent der Bevölkerung ausmacht. Wiederholt hatte er sich gegen militanten Widerstand gegen die US-Besatzung ausgesprochen, um den Amerikanern Gelegenheit zu geben, das Chaos im Land zu beenden. Al-Hakim war einer jener schiitischen Rechtsgelehrten, die einen religiösen schiitischen Staat ablehnten und stattdessen für die Zukunft des Irak einen demokratischen Staat forderten, der die islamischen Werte respektiert.

Bis Redaktionsschluss hatte sich niemand zu dem Anschlag bekannt. Doch wenige Stunden nach dem Attentat wurden im Irak zwei Möglichkeiten diskutiert. In den letzten Wochen hatte sich der innerschiitische Machtkampf zwischen Bakir al-Hakims Oberstem Rat der Islamischen Revolution (SCIRI) und der zweiten großen politischen Organisation der Schiiten, der radikaleren Sadr-Gruppe, verschärft. Die Sadr-Gruppe warf Bakir al-Hakim immer wieder vor, dass er zu sehr mit den amerikanischen Besatzern kooperiere.

Eine andere Möglichkeit wäre, dass es sich bei den Attentätern um radikale Sunniten handelt, die im Umfeld des Netzwerkes von al-Qaida arbeiten. Für die Theorie könnte sprechen, dass die Sadr-Gruppe bisher noch nicht zu Mitteln wie Autobomben gegriffen hat.

Der US-Zivilverwalter im Irak, Paul Bremer, verurteilte das Attentat scharf und versprach die Unterstützung der alliierten Truppen bei der Aufklärung des Verbrechens. Erneut seien unschuldige Iraker getötet worden, einer der heiligsten Plätze des Islam sei geschändet worden, hieß es gestern in einer Erklärung Bremers.

Angesichts der heiklen Sicherheitslage in Irak sprach sich das US-Zentralkommando für die Unterstützung der US-Truppen durch muslimische Länder und den raschen Aufbau einer irakischen Armee aus.

Im Norden des Landes wurde der Vizesicherheitschef der Region Suleimanija, Hama Hussein, bereits am Mittwoch bei einer Schießerei mit mutmaßlichen Mitgliedern der radikalislamischen Organisation Ansar al-Islam erschossen, wie die Patriotische Union Kurdistans mitteilte. Bei dem Schusswechsel seien auch drei Mitglieder von Ansar al-Islam getötet worden; ein vierter Extremist sei festgenommen worden. KARIM EL-GAWHARY

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