Kulturforum überschreitet Traufhöhe

Berlin will die Debatte über das Kulturforum. Es kann sie haben, wird sich der Präsident der Bundesbaudirektion gedacht haben und veröffentlicht im Jahrbuch der Behörde einen Hochhausentwurf für das Areal. So viel Radikalität ist Hans Stimmann zu viel

VON ROLF LAUTENSCHLÄGER

Der Appell von Berlins Bausenatorin Ingeborg Junge-Reyer (SPD), sich endlich kreative Gedanken zur Entwicklung des Kulturforums zu machen, ist erhört worden. Mit der Vision für eine „Museumsinsel der Moderne“ haben Florian Mausbach und das Architekturbüro Gruber/Kleine-Kraneburg einen „Diskussionsbeitrag“ vorgelegt, der es in sich hat. Dabei wird nicht nur das halbe Kulturforum unter Wasser gesetzt. Ihr Entwurf sieht auch ein neues Museum an dem seit Jahren umstrittenen Standort vor und mehrere Ergänzungsbauten zwischen Philharmonie und Neuer Nationalgalerie.

Für die Bauverwaltung ist diese Neubestimmung des Kulturforums mit Sicherheit eine Provokation, sind doch ihre Autoren nicht irgendwer: Mausbach ist der Präsident der Bundesamtes für Bauordnung – also oberster Baubeamter der Republik. Gruber und Kleine-Kraneburg haben Mitte der 1990er-Jahre das neue Bundespräsidialamt am Schloss Bellevue errichtet.

Clou der Planungen aber sind zwei Hochhäuser: Ein 250 Meter hoher, sehr schmaler Bibliothekstower und ein 150 Meter hoher Turm am Tiergarten. Mausbach sieht den 250-Meter-Turm als „Obelisk“, der neben der Staatsbibliothek in die Höhe schießen soll, um „einen baulichen Anziehungspunkt“ am Eingang des Kulturforums zu kreieren. Das 150 Meter hohe Diplomatenhochhaus am nördlichen Ende des Forums bildet sozusagen sein städtebauliches Pendant für Nutzer der Botschaften und anderer Repräsentanzen.

Vor der Staatsbibliothek soll ein großer „Büchersee“ entstehen, der seine landschaftsplanerische Fortsetzung in der grünen Wiese gegenüber bei den zahlreichen Museen findet. Statt der ansteigenden Rampe planen die Architekten außerdem ein neues „Museum des modernen Stils“, das die „Entwicklung von Architektur, Design und Mode im 20. Jahrhundert vorführt“, so Mausbach.

Für den Baupräsidenten bildet der „Diskussionsbeitrag“ nicht nur den logischen „Kontrapunkt in Architektur und Programm zur Museumsinsel in Mitte“. Er ist zugleich auch die Fortsetzung der eigentlichen Idee des Kulturforums als bauliche Chiffre der Moderne. Schließlich bedeutet er einen radikalen Schnitt. Statt baulicher Ergänzungsmaßnahmen, wie sie seit Jahren en masse gezeichnet und wieder verworfen wurden, überformt der Entwurf das Kulturforum mit einer „Hochhausvision“.

Mausbach hatte übrigens die Eingebung, nachdem die Bauverwaltung den Bund aufgefordert hatte, auch einmal etwas zum Kulturforum beizutragen. Jetzt ist ihr das Ergebnis doch etwas zu irre. Senatsbaudirektor Stimmann hat schon mal Denkzensur signalisiert und will höchstens sechsgeschossige Häuser dort.