: Studiengebühren werden zum Trennungsgeld Ost
Ostdeutschland plagt sich ohnehin damit, junge Menschen zu halten. Unigebühren sind da Gift, sagen die Rektoren. Sie fürchten böse Einbrüche bei den Studentenzahlen
Junges Blut ist in den von Abwanderung geschwächten neuen Ländern heiß begehrt. Die Stadt Leipzig beispielsweise hofiert zugezogene Studenten und erlässt ihnen die halbjährliche Einschreibegebühr. Jetzt aber fürchtet die Heldenstadt leere Universitätssäle, wenn alle Studis ab 2006 für ein Semester 500 Euro Studiengeld bezahlen müssen. Der Rektor der altehrwürdigen Leipziger Universität, Franz Häuser ist deshalb gegen Gebühren: „Wir rechnen mit einem Rückgang der Studierendenzahlen.“
Auch im thüringischen Jena und im sachsen-anhaltinischen Halle schrecken die Rektoren auf. „Der Osten wird durch Gebühren benachteiligt“, erklärt Karl-Ulrich Meyn, Rektor der Universität Jena. Etwa achtzig bis neunzig Prozent ihrer Studierenden rekrutierten die Unis aus dem regionalen Umland, sagt er. „Der Anteil sozial Schwacher ist im Osten größer. Gerade diese Gruppe wird durch Gebühren aus der Uni verdrängt.“ Dabei werden die Bewerberzahlen an den ostdeutschen Unis ohnehin sinken, wenn ab 2008 die geburtenschwachen Jahrgänge aus der Schule an die Uni tröpfeln. „Wir dürfen keine zusätzlichen Barrieren einbauen, sondern müssen alles daran setzen, die Studierendenquote zu steigern“, fordert Meyn.
An ein sozialverträgliches Gebührenmodell glaubt Meyn derzeit nicht. Denn das brauche einen Puffer. „Keiner sagt, woher das Geld kommen soll. Wenn es, wie vorgeschlagen, über Bankkredite laufen soll, wäre es noch fataler.“ Sein Hallenser Kollege Wilfried Grecksch kann ebenfalls keine spendablen Leuchttürme im Saaletal ausmachen. „Es ist hier viel schwieriger, private Spenden einzusammeln, da keine gewachsenen Alumni-Strukturen existieren“, sagt er.
Meyn hat das Terrain genau sondiert. Zusammen mit Horst Klinkmann hat er im Geprächskreis Ost, der von der Bundesregierung beauftragten Dohnanyi-Runde, die Rahmenbedingungen für eine wirtschaftliche Genesung des Ostens untersucht. Ihr Fazit: Studiengebühren sind derzeit Gift für den schwächelnden Patienten. „Die Probleme sind Abwanderung und steigendes Durchschnittalter“, erklärt Klinkmann. Um die Zukunft zu sichern, müssten die Länder vor allem über ihre Hochschulen versuchen, junge Leute zu binden – und nicht nur bei den westlichen, sondern auch bei den östlichen Nachbarn werben. „Doch die osteuropäischen Studenten können erst recht keine Studiengebühren bezahlen.“ Chancen, die sich durch die EU-Osterweiterung böten, gingen so verloren. „Für ein Gebührensystem ist eine sichere ökonomische Basis vonnöten“, resümiert Klinkmann. In seinen optimistischsten Schätzungen geht Klinkmann von zehn Jahren bis zur Stabilisierung aus. „Das wäre wünschenswert“, schränkt er ein.
An die Verheißung, dass Gebühren eine sprudelnde Einnahmequelle für die finanziell dahindümpelnden Universitäten sein könnten, glaubt keiner der drei Rektoren. Grecksch ist sicher: „Im Gegenzug würden doch sofort öffentliche Zuwendungen gekürzt.“
ANNA LEHMANN