: Vage Verdachtsmomente sind zu wenig
Das Oberverwaltungsgericht hat entschieden: Polizei muss begründen können, warum sie Vereinsräume aufsucht
Bremen taz ■ Das wiederholte Betreten der Räume eines kurdischen Vereins in der Westerstraße durch die Polizei im Jahr 2000 war rechtswidrig. Zu diesem Urteil kam gestern das Oberverwaltungsgericht (OVG). In zwei ähnlichen Fällen in einer Waller Teestube hingegen sei der Polizei-Einsatz rechtmäßig gewesen, sagte der Sprecher des OVG, Richter Hans Alexy.
Die Begründung des Gerichts: Nur in den beiden zuletzt genannten Fällen habe begründet werden können, dass ein „hinreichend gewichtiger Schutzgrund“ vorgelegen hätte. Konkret sei das der begründete Verdacht gewesen, in den Waller Vereinsräumen würden Personen ohne Aufenthaltserlaubnis verkehren. In dem Neustädter Verein in der Westerstraße hingegen habe die Polizei rückwirkend nicht begründen können, warum sie die Räume damals betrat, so Alexy. „Das blieb sehr vage.“
Laut des Anwalts beider Vereine, Sven Sommerfeldt, hatten die Beamten angegeben, dort einen „mutmaßlichen Dealer mit kurdischem Aussehen“ zu suchen, ohne jedoch genauer schildern zu können, warum sie annahmen, dass sich dieser in der Teestube aufhielt. „Hinterher hat es dann geheißen, es habe sich nur um ‚Kontaktpflege‘ gehandelt“, sagte Sommerfeldt. Doch eine Kontaktpflege würde normalerweise keine Kontrolle der Personalien nach sich ziehen.
Mit seiner Rechtssprechung hat das OVG ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Bremen aufgehoben und gleichzeitig das Bremer Polizeigesetz präzisiert. Dort war bisher nicht klar geregelt, wann die Polizei öffentliche oder Geschäftsräume betreten darf. „Es ist keine konkrete Gefahr erforderlich“, sagte jetzt OVG-Sprecher Alexy. Dennoch müsse die Maßnahme mit mehr als einem vagen Verdacht begründet werden. Verstöße gegen das Ausländerrecht jedoch würden ein Betreten rechtfertigen.
„Bestraft“ werde mit der OVG-Entscheidung niemand, so Alexy. Dafür seien aber andere Vereine oder auch Personen vor einer Wiederholung dieser Polizei-Praxis geschützt. Für Anwalt Sommerfeldt geht es vor allem um die Frage, wie intensiv ein Verdacht sein muss. „Ob es mehr ist als der Hauch einer Ahnung.“
Zu Beginn der Verhandlungen hatte das Gericht angekündigt, dass es sich um ein Verfahren mit offenem Ausgang handeln würde, da es bisher keinen vergleichbaren Fall gegeben hatte. Die Bremer Entscheidung könnte damit richtungsweisend für andere Bundesländer sein, sagte Alexy. Eiken Bruhn